Viva Espana!

Verfasst am 22.06.2009 von

Montagmorgen, 15. Juni 2009. Mein Wecker klingelt um 3 Uhr. Also um eine Zeit, zu der ich oft ins Bett gehe. Aber ich bin sofort hellwach. Denn heute geht es nach Gijon. Die Hafenstadt Gijon liegt in Asturien und das wiederum ist ein kleines, aber sehr selbstbewusstes Fürstentum im Norden Spaniens. Bekannt geworden ist diese wirklich interessante Stadt durch den legendären Nichtangriffspakt der deutschen und österreichischen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM 1982 in Spanien. Seitdem ist der Begriff „Gijon-Strategie“ fest in der (Wirtschafts) Literatur verankert: Wenn zwei Kontrahenten sich nichts tun und jeder davon aussergewöhnlich profitiert. Wie damals die elenden Kicker aus Österreich und Deutschland – und die fantastischen Algerier durften unverdient nach Hause fahren…

 

Das ist jedoch ein anderes Thema. Und das Stadion von damals in die Jahre gekommen. Direkt gegenüber darf ich heute meine Zelte aufschlagen: Auf dem modernen Messegelände der nordspanischen Metropole findet mittlerweile zum zweiten Mal nach 2007 die Weltmesse für den Apfelwein – kurz SICER – statt. SICER ist übrigens die kongeniale Verbindung wie Abkürzung des spanischen Sidras und des englischen Cider. Beides steht natürlich für den Apfelwein.

Und Gijon ist tatsächlich die Welthauptstadt des Apfelweins. Nirgends wird soviel Apfelwein (auf spanisch „Sidra“) getrunken wie in Gijon. Knapp 60 Liter sind es pro Kopf. Zum Vergleich: In der „Apfelweinrepublik“ Hessen kommen wir gerade mal auf 10 Liter. Da habe ich aber aus partitiodischen Gründen stark nach oben aufgerundet! Spanien ist für mich ein gutes Pflaster. Vor zwei Jahren kam mein ApfelSherry aus dem Whiskyfaß unter die zehn besten Apfel-Süßweine der Welt. Und stand damit auf einer Ebene mit dem fantastischen kanadischen Ice-Cider. Kann ich diesen Erfolg wiederholen? Ich bin ziemlich unsicher, überlasse aber in der Regel nichts dem Zufall. Deshalb baue ich – während meine Kollegen sich bereits im Hotel für den Abend aufmöbeln – noch komplett meinen Stand auf. Um kurz vor 21 Uhr verlasse ich über den Notausgang das menschenleere Messegelände und gönne mir auf dem Weg zum Hotel im Park ein …spanisches Bierchen. Alles ist vorbereitet. Ich bin zufrieden. Die Messe, das Publikum und die Journalisten können kommen…

Und wie sie kommen! Am nächsten Morgen wird die Messe gestürmt. Gegen Abend geht gar nichts mehr. Ich bin ganz alleine am Stand – und mein Spanisch ist auch nicht gerade vom Feinsten. Zum Glück sprechen die Journalisten meistens Englisch, einige sogar Deutsch. Und auch die Apfelwein-Experten besuchen die über 60 Produzenten, diskutieren und wählen Produkte aus.

Zwischendurch besucht auch noch der asturianische Präsident mit einem riesigen Medienaufgebot die Messe. Ich sehe den Troß und will den Typen für ein Foto abgreifen. Kommt doch bestimmt gut in der Fuldaer Zeitung. Doch meine argentinische Kollegin Gisela vom Stand nebenan ist schneller. Sie schiebt ihren durchaus tageslichttauglichen Hintern so weit von ihrem Stand heraus, das ich keine Chance habe. Der Ministerpräsident hat angebissen! Sex sells! Das hat die hübsche Russin zwei Stände weiter schon längst kapiert.  Außerdem unterhalten sich Spanier am liebsten auf Spanisch. Was ganz zufällig auch die Jennifer Lopez des argentinischen Apfelweins spricht. Keine Chance für mich!

Schlagartig ändert sich am späten Abend meine bisher mittelmäßige Laune. Ich erfahre, das mein trockener ApfelSherry aus dem Whiskyfaß es in die Verkostung der TOP of SICER 2009 geschafft hat. Ich hatte es zwar immer gehofft, denn dieser ApfelSherry ist für mich noch besser als der vor zwei Jahren. Am nächsten Tag erfahre ich von Teilnehmern der Präsentation der TOP of SICER-Weine, das mein ApfelSherry inoffiziell als das „Originellste Produkt der ganzen Messe“ ausgelobt wurde. Das ist doch was! Am Abend wird mein Stand endgültig gestürmt. Die Leute wollen jetzt DEN ApfelSherry kaufen. Ich hätte sogar noch was von meinen 120 Flaschen da. Aber ich darf nicht verkaufen. Das wiederum verstehen die Besucher nicht. Und ich kann auch nix auf Spanisch erklären. Also verkaufe ich. Jetzt gibt es Ärger mit der Messeleitung. Erst kommen die süßen Messehostessen und reden auf mich ein. Das ist noch ganz angenehm. Doch später kommt der Messechef und baut sich vor mir auf. Nachdem die Besucher das mitbekommen, wollen Sie erst recht kaufen.

Selbst Gisela aus Mendoza hat trotz ihrer figurbetonten Kleidung jetzt keine Chance. Belagerungszustand. Ich schenke immerzu aus und kommentiere kurz: Jerez de Manzana. Seco, Demiseco, Dulce…

Gegen 21 Uhr bin ich am Ende. Und die Messe ist es auch. Ich gönne mir gegen den Durst einen kanadischen Apfelwein vom Stand gegenüber. Die Kanadier grinsen mich an. Die sind auch ziemlich k.o., waren aber immerhin zu dritt. Heute Abend geht es in die Altstadt von Gijon, schließlich gibt es etwas zu feiern…

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