Der Blök 2018: UPPS!
Samstag, 16. Februar, 9.09 Uhr: Nachdem ich gestern im Vorstellungsgespräch von einer jungen Dame gefragt wurde, wo denn mein Rückblick auf das Jahr 2018 bleibt, musste ich erst einmal stutzen. Stimmt. Da gibt es noch nichts, oder? Aber der Krenzer wäre ja nicht der Krenzer, wenn er nicht eine fundierte Argumentation dafür hätte: „Das Jahr 2018 endet für mich gefühlt am 28. Februar 2019. Und am 1. März beginnt nicht nur ein neues Jahr 2019. Sondern für krenzers rhön eine neue, spannende Epoche. Auf die ich richtig Lust habe!“
O.k., hört sich pathetisch an. Ist es auch. Aber das, was in 2019 und in den Jahren danach passieren wird, hat seinen Ursprung in den vergangenen zwei Jahren. Wie 2017 gelaufen ist, habe ich in meinem Blök „KRASS!“ beschrieben. Also die Kurzfassung vom Jahr. Von der Teamkrise zu einer Überbesetzung des Teams quasi. Aber du kannst in der Gastronomie nie genug Leute haben. Dachte ich. Denn da will ja keiner mehr arbeiten. Denke ich. Aber weniger ist einfacher. Und mehr. Weiß ich jetzt. Will ich jetzt!
Also der Reihe nach:
Das Jahr 2018 beginnt mit unserer Denk-Auszeit in Regensburg. Sylvi und ich fahren erst mal nach dem fulminanten Achterbahn-Jahr 2017 runter. Und planen dabei das Jahr 2018 und den Küchenumbau Anfang 2019. Im Gegensatz zu 2016 – da waren wir schon mal in der Welterbe-Stadt – mieten wir uns nicht in der engen, mittelalterlichen und sehr schönen Altstadt ein. Sondern entscheiden uns für das Hotel auf der Donauinsel mit einem Wahnsinnsblick auf Donau, Steinerne Brücke, Dom und die Altstadt mit ihren spektakulären Wohntürmen. Aussicht. Weitblick. Offenheit. Das ist das, was ein Rhöner Jung braucht. Und schon stellt sich ein strategisches Wohlgefühl ein. Das Kultlokal „Kneitinger“ wird zu unserem Wohnzimmer und die vielen Spaziergänge sorgen für frische Luft im Kopf und bringen neue Energie. Diese nutzen wir, um eine Woche später hoch oben auf dem Kreuzberg mit unserem Führungsteam und den Jungen Wilden das Jahr 2018 zu planen. Aber Planung ersetzt den Zufall bekanntlich durch Irrtum. Und in vielerlei Hinsicht habe ich mich 2018 gründlich geirrt. Dazu später mehr.
Aber jetzt erstmal wieder was Positives: Ende Januar bin ich mit meinen belgischen und deutschen Freunden bereits im 13. Jahr auf Bier-Fachexkursion. Diesmal in Berlin. Aus einer Laune heraus packe ich meine Laufschuhe ein. Dabei bin ich fast drei Jahre kaum gelaufen und ich habe immer noch Angst um meine Achillessehne. Diese Sorgen sind – wie übrigens die meisten – völlig unbegründet. Und in Berlin Mitte mache ich jeden Morgen „Kilometer“. Und beschließe für mich, hier Ende September 2019 nach 10 Jahren wieder einen klitzeklitzekleinen Marathon zu laufen. Und siehe da: Das Universum hat mir doch tatsächlich einen der begehrten Startplätze zugelost. UPPS!
Das letzte Jahr war geprägt von vielen Strategiegesprächen mit meiner Frau, unserem Führungsteam und vielen jungen Menschen im Team, die Bock auf Zukunft haben. Wo wollen wir hin? Wie sieht es bei uns in 10 Jahren aus? Das ist alles sehr aufwendig und anstrengend. Und oftmals ist es wie eine Fahrt durch den Rhöner Nebel. Da musst du höllisch aufpassen, dass du nicht im Straßengraben landest oder gegen einen Baum knallst. Aber irgendwann löst sich der Nebel überraschend auf und du hast eine ganz klare Sicht auf die Dinge. Oftmals nur kurz. Dann kommen schon wieder die nächsten Schwaden. Du musst dieses Zeitfenster einfach nutzen. Die Gelegenheit beim Schopfe packen. Erfolg entsteht, wenn Gelegenheit auf Bereitschaft trifft.
Waren wir in 2017 zu Beginn der Saison personell ultraknapp besetzt in einer Aufbruchsstimmung, haben wir jetzt gefühlt in jedem Bereich eine verwaltete Überbesetzung. Man weiß ja nie was kommt. Leider kamen nicht so viele Gäste wie erwartet. Also ich will nicht klagen. Aber wer geht bei 35 Grad schon in der Rhön wandern und dann zünftig Mittagessen? Natürlich waren wir auch vom Superjahr 2017 total verwöhnt. Das Leben verläuft in Kurven. Es geht mal aufwärts, mal bergab. So auch bei uns. Und bei uns ging es über ein Jahrzehnt nur immer weiter nach oben. Es gibt da ein wunderbares Zitat: „Wenn es der liebe Gott böse mit dir meint, schenkt er dir 10 Jahre Erfolg!“
Es ist gar nicht so einfach, ein überbesetztes Team zu beschäftigen. Und nicht so viele deprimierende Fehlstunden auflaufen zu lassen. Das haben wir trotzdem alles geschafft. Weil wir auch in der Küche gelernt haben, anders zu arbeiten. Und weil wir viele Leute haben, die die Arbeit noch sehen und dazu die Chefs nicht brauchen.
Ich merke auch, das in einem Team mit 25 Leuten einige Menschen gibt, die eine höhere Position anstreben. Kennt ihr eigentlich den dazu passenden Witz mit den zwei Raben auf dem Baum im Wald? https://www.youtube.com/watch?v=5g4NpzKwqZU . Oft ist es aber so, dass man höhergestellt sein will und gerne mehr Geld verdienen möchte. Das ist legitim. Nicht in Ordnung ist aber, dass man trotzdem nicht mehr Verantwortung übernehmen will. Menschlich ist das schon. Aber falsch. Denn für die Abteilung Verantwortung gibt es ja die Chefs. Für sowas wurde ja das mittlere Management erfunden. Das mag ja funktionieren. Aber nicht in einem sehr kompakten Familienbetrieb mit 25 Mitarbeitern, von denen die meisten selbstständig denken und handeln können. Und wo die Chefs im operativen Bereich noch mitarbeiten, wenn es denn mal wieder eng wird. Ich merke auch, dass es Netzwerke im Team gibt, die das forcieren. So eine Art Führungsposition-Empfehlungsmarketing. Motto: Ich setzte mich beim Chef für dich ein und im Gegenzug du für mich. Ich habe ganz schön lange gebraucht, um das zu peilen. Bin halt ein Spätzünder. Und wenn dann deine besten Leute dir mit Kündigungsgedanken kommen, dann musst du die Reißleine ziehen. Denn lieber arbeite ich mit 15 Leuten, die richtig Bock haben als mit 15 plus 10 Beamten. Und jetzt kommts. Ich musste handeln. Und habe das getan, was ich am besten kann. NICHTS! Und siehe da, irgendwann verabschieden sich Krabbelgruppe und Kindergarten aus deinem Team. Und bis Anfang März sind wir ein paar Leute weniger. Aber die mit „Bock“ sind alle noch da. UPPS!
Die Probleme von heute (eigentlich sind es ja Herausforderungen) entwickeln unsere Stärke von morgen. Und genau das tun wir gerade. Unsere wahren Stärken erkennen und einzusetzen und vieles lassen, um einfach noch besser tun zu können. Ich sehe uns da auf einem fantastischen Weg. Um es mit Marius Müller-Westernhagen zu schreiben: „Lass uns leben!“ Und auch der Unternehmer muss leben. Solange er noch am Leben ist. Wichtig ist dazu die absolute Unabhängigkeit – soweit diese in unserer Zeit noch möglich ist. Aber das liegt an uns. Und unter Unabhängigkeit versteht nun mal jeder was anderes.
Dass Gesundheit ein wichtiges Gut ist, musste ich in 2018 in der eigenen Familie erleben. Noch ein Grund, mal lammsamer zu machen. Und das Leben määhr inhalieren statt nur vorbeirauschen zu lassen. Im Mai 2017, nach dem Krebstod meines Freundes Stefan, der mich sehr getroffen hat, habe ich meiner Frau gesagt, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher. Das habe ich auch öffentlich so geäußert. Gesellschaftskritik. Meine Sylvi meinte dazu nur lapidar: „Das finden alle schon toll, wenn du das sagst. Und jeder nickt irgendwie. Aber trotzdem tut sich nichts!“ Und ja, das stimmt leider. Oder stimmte. Denn jetzt ist die Zeit reif, es anders zu machen. Ich habe fast zwei Jahre dazu gebraucht.
Lass uns leben!
Darauf ein UPPS!*
*UPPS ist ein trockener, hochalkoholischer Wein aus Äpfeln. Der war so nicht geplant, irgendwas ist im Keller anders gelaufen. Als wir ihn erstmals probiert hatten, sagte mein Kellergeíst Ben zu mir: „Upps!, was ist das denn?“ Und ich antwortete: „Keine Ahnung. Aber es ist seeehr lecker!“