Gute Mitarbeiter finden „Hiermit bewerbe ich mich als Chef“

Verfasst am 25.07.2019 von

„Darf ich Ihr Chef sein?“ Um gute Mitarbeiter zu finden, dreht Jürgen Krenzer den Spieß um und bewirbt sich als Chef.

Wie viele Unternehmer kämpft auch der impulse-Blogger und Hotelier Jürgen Krenzer damit, gute Mitarbeiter zu finden. Deswegen hat er seine Strategie geändert: Er bewirbt sich selbst als Chef. Mit Erfolg.

Vor ein paar Tagen habe ich fünf junge, hoch motivierte Mitarbeiter einstellen können. Darunter auch zwei der längst ausgestorben geglaubten Spezies „Jungkoch“. Die werden überall gesucht und es wird mittlerweile sogar Kopfgeld für sie gezahlt. Viele Kollegen schalten Agenturen im Ausland ein, um an solche Fachkräfte zu kommen.

So etwas können Sie sich sparen. Gehen Sie einen anderen Weg: Bewerben Sie sich als Chef!

Keinen Bock mehr auf „aussagekräftige Bewerbungen“

Oder glauben Sie, dass Sie mit Sätzen wie „Ihre aussagekräftige Bewerbung senden Sie bitte an unser Personalbüro zu Händen Frau Müller oder Maier“ wirklich noch die besten Bewerber anziehen? Natürlich – wenn Sie einen 08/15-Laden haben, dann brauchen Sie auch 08/15-Leute. Alles andere wäre nicht zielführend.

Ich aber suche die anderen. Und die lassen sich nicht mehr auf eine normale Stellenanzeige ein. Gut so! Die haben nämlich keinen Bock auf „aussagekräftige Bewerbungen“. Die möchten sich selbst und den Laden, in dem sie arbeiten, weiterbringen. Bei genau diesen Leuten bewerbe ich mich als Chef. Das ist kein Marketing-Gag. Sondern ein komplett durchdachtes Rundum-Paket. Sollten Sie auch mal ausprobieren!

Zeigen Sie, dass Sie als Chef nicht perfekt sind

Wie Sie dabei vorgehen? Zuerst einmal bringen Sie Ihre Bewerbungsunterlagen auf den neuesten Stand. Das Wichtigste dabei: Ein gnadenlos ehrlicher Lebenslauf. Dabei kommt es meiner Meinung nach auf den richtigen Humor an. Ich habe meinen Lebenslauf wie eine kurze Biographie aufgeschrieben, mit viel Augenzwinkern. Dazu kommt dann noch – wenn möglich – ein ziemlich schlechtes Zeugnis. Das kann wie bei mir aus der Grundschule sein. Es soll einfach nur zeigen, dass Sie Fehler haben und auch als zukünftiger Chef nicht perfekt sind. In einem meiner Zeugnisse, das ich sehr gern verwende, steht zum Beispiel der Satz: „Jürgen muss sich ein schnelleres Arbeitstempo zulegen. Er lässt sich sehr schnell ablenken!“ Das trifft heute noch zu.

Keine 08/15-Anzeigen

Dann benötigen Sie eine pfiffige Anzeige. Je digitaler, desto besser. Aber natürlich werbe ich auch im eigenen Haus mit einem Plakat. Ich wäre ja blöd, das bei jährlich rund 50.000 Gästen nicht zu tun.

In meiner letzten Facebook-Anzeige habe ich zum Beispiel Folgendes geschrieben:

Du hast Bock auf Service und die gelassensten Gäste der Welt?

 Du bist richtig gut drauf und machst dich nicht morgens im Bad schon „fertig“?

 Du möchtest an einem ganz besonderen Ort (O-Ton unserer Gäste) arbeiten und wirken?

 Du brauchst wieder „Bock auf Job“ und apfelgeile Kollegen?

 Für dich ist Arbeitszeit auch Lebenszeit und du möchtest diese sinnvoll verbringen?

 Du hast von den „normalen“ Chefs genug und möchtest mal mit einem Verrückten zusammenarbeiten?

 O.k. – 5 mal JA? Dann bewerbe ich mich hiermit bei dir als Chef! Schicke mir eine Nachricht oder hinterlasse einen Kommentar, wenn und wann ich mich bei dir vorstellen darf.

„Gerne stelle ich mich persönlich vor“

Auf unserer Website haben wir es so veröffentlicht:

Mein Name ist Jürgen H. Krenzer. Ich bin 52 Jahre jung, verheiratet und habe gemeinsam mit meiner Frau Sylvi drei Kinder. Ich bin ein waschechter „Rhöner“. Allerdings schon ziemlich verrückt. Eben einer, dessen Kopf rund ist, damit das Denken die Richtung ändern kann. Ich schreibe hier nicht nur, dass ich extrem teamfähig bin. Ich bin es auch wirklich. Ich verrichte gerne einfache Tätigkeiten. Weil ich weiß, dass alle meine 25 Mitarbeiter hier die komplizierten Dinge besser beherrschen. Und absolute „Könner“ in ihrem Bereich sind.

Ich arbeite gerne mit Menschen, die genauso wie ich Menschen lieben. Mit all ihren Ecken und Kanten. Vor 29 Jahren habe ich hier in „krenzers rhön“ Gastronomie für uns neu erfunden. Und unsere Gäste finden es „apfelschaaf“! Und sind viel öfter hier, als wir es vermuteten. Selbst außerhalb der „Hauptsaison“. Sowas aber auch …

 (…)

 Ich freue mich sehr, Ihnen meine kreativen Bewerbungsunterlagen zukommen zu lassen. Gerne stelle ich mich auch persönlich vor. Bitte schicken Sie mir eine E-Mail auf krenzer@rhoenerlebnis.de, rufen mich unter 0170/3052747 an oder hinterlassen mir eine Botschaft auf meiner Mailbox.

 P.S.: Am liebsten stelle ich Menschen ein, die besser sind als ich. Aber das sollte keine allzu große Hürde sein.

Den Spieß so umzudrehen, wirkt

Wenn sich die ersten Interessenten melden, wird es ernst. Denken Sie daran: Es ist IHR Vorstellungsgespräch. Sie sind der Bewerber! Das heißt (für alle, die das schon vergessen haben): Sie kommen überpünktlich zum Gespräch, sind gewaschen oder geduscht und die Frisur sitzt. Sie sind gescheit angezogen und perfekt vorbereitet. Sie wissen (fast) alles über den Menschen, der Ihnen gleich gegenübersitzt oder steht. Natürlich sind Sie auch latent aufgeregt. Aber das kommt durch den Rollentausch von ganz allein, keine Sorge! Versuchen Sie nicht, Ihren Laden zu verkaufen. Sondern gewähren Sie Einblicke in Ihr Chefleben.

Und plötzlich passiert etwas. Auch mit dem Menschen, mit dem Sie reden.

Sie werden merken: Den Spieß so umzudrehen, wirkt. Nicht immer. Aber immer öfter. Sie müssen sich darauf einlassen. Und wundern Sie sich bitte nicht, dass Sie irgendwann eine ganz besondere Kultur im Unternehmen haben. Die entsteht dann, wenn Sie nach ein paar Jahren nur noch von Mitarbeitern umgeben sind, bei denen Sie sich als Chef beworben haben.

Das funktioniert auch in anderen Branchen

Ich bin übrigens überzeugt, dass diese Strategie nicht nur in der Gastronomie funktioniert. Neulich fragte mich ein mittelständischer Metzger, wie er neue Fleischereifachverkäuferinnen findet. Meine Antwort: „Geh dorthin, wo diese fantastischen Frauen arbeiten. Schau sie dir an, rede mit ihnen, frag, ob sie mit dem jetzigen Job glücklich sind. Gerade in den großen Supermärkten arbeiten junge Mütter bis 21 oder 22 Uhr, obwohl sie lieber ihre Kinder ins Bett bringen würden. Bei dir haben sie um 18 Uhr Feierabend. Übergib ihnen nach einem Gespräch einfach freundlich deine Bewerbungsmappe und verabschiede dich mit einem Augenzwinkern. Und lass dich nicht vom Filialleiter erwischen!“

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