Wer hat hier eigentlich das Sagen?

Verfasst am 16.12.2016 von

Egal ob Sonnenschirme, Schreibblöcke oder Mülleimer – die Werbung von Zulieferern drängt überall ins Unternehmen. Gastronom Jürgen Krenzer war das zu viel: Er erobert jetzt die Markenhoheit über den eigenen Betrieb zurück.

Also, um eines mal für meine Branche vorwegzunehmen: Die Markenhoheit haben die meisten Betriebe im gepflegten Gastro- und Hotel-Mittelstand schon lange nicht mehr. Ist das in Ihrer Branche anders? Mag sein. Sicher bin ich mir allerdings nicht. Schauen Sie sich einfach mal um in Ihrem Laden. Woran erkennt man denn, dass es sich um Ihren Betrieb handelt?

Gerade sind sie gekommen. Zwei große Kartons mit Kellnerblöcken. Nein, keine Post von der Brauerei. Die kommen direkt aus der Druckerei. Weil es unsere eigenen, bunten Kellnerblöcke mit unserem roten Logo sind. Und die sind nur für den internen Gebrauch gedacht. Typische Verbrauchsartikel eben. Die kommen eigentlich nie in die Hände unserer Gäste.

Jetzt fragen Sie sich zu Recht: Was soll das? Wozu dieser Aufwand?

 

Warum ich in eigene Kellnerblöcke investiere

Nun – der Kellnerblock ist letztlich das i-Tüpfelchen einer eigenen Markenstrategie. Das hat auch etwas mit der Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern zu tun. Es ist eben schon ein Unterschied, ob ich auf einen blassen Kellnerblock des Schwarzbrause-Mixers „Coca Cola“ oder auf einem bunten, gestylten krenzers-rhön-Block meine Notizen mache.

Gerade als Kleinbetrieb ist das gegenüber dem Global-Player doch ziemlich cool. Finden auch meine Mitarbeiter. Denn die arbeiten eben in Seiferts, in der Rhön – und nicht in Atlanta. Gott sei Dank!

 

 

Wie ich mein Marketing aufbaue

Wie also schafft man das, eine eigene Marke aufzubauen? Man darf vor allem nicht eine Marke mit einem Logo verwechseln. Eine Marke lässt man nicht beim Grafiker erstellen, man muss sie sich hart erarbeiten. Man braucht eigene Ideen, eigene Produkte. Etwas, wofür man steht. Und man braucht immer wieder die Energie, seine Sache nach vorne zu bringen. Bei uns waren das das Rhönschaf und der Rhönapfel. Immer wieder. So wurden wir vom Dorfgasthof „Krone“ zum „Rhönschaf-Hotel“ inklusive der anfangs belächelten Schäferwagen. Vom Hobby-Kelterer zum Apfelwinzer des Jahres.

Jedes Jahr arbeiten wir mit Leidenschaft und Begeisterung an unserer Strategie und erzählen unsere Geschichte. Auch wenn so manch einer das nicht mehr hören will. Ist mir doch egal! Denn: Wenn die Story vom Rhönschaf und dem Rhönapfel so manchem „Insider“ zu den Ohren rauskommt – dann hat man gerade mal die Eintrittskarte in den Markt gelöst.

 

Haben Sie die Markenhoheit im eigenen Unternehmen?

Wenn man dann aber mitspielen darf, sollte man auch schauen, wer optisch die Markenhoheit im eigenen Laden hat. Nun ja, in der Gastronomie sind das meistens nicht wir Gastronomen. Sondern eher unsere Brauerei, der Eishersteller, die Wasserabfüller oder gar ein Kippenproduzent. Sichtbar schon von weit außen an den Werbeschildern, Eistruhen, Preistafeln, Bierdeckeln, Mülleimern, Aschenbechern, Sonnenschirmen, und, und, und …

Und wo ist der Gastronom? Ach ja, klar. In der Küche. Oder im Service. Manchmal auch im Büro. Meistens aber nur am Ruhetag. Logisch. Aber wo bitteschön ist die Marke, der Name, das Logo? Vielleicht auf dem Rechnungsformular? Zu spät!

Was ich auch immer wieder erlebe: Ein Kollege investiert anderthalb Millionen Euro in An-/Um- oder gar Neubau und alles ist top. Bestens geplant, vom Feinsten. Denkste! Die 3000 Euro für die eigenen Sonnenschirme auf der von überall einsehbaren Terrasse waren nicht mehr in der Kasse.

Und damit übernimmt die Markenhoheit der Brauseproduzent.

Meine Frage an den Kollegen: Was zahlt der Ihnen eigentlich monatlich, dass er vor Ihrem coolen Laden Werbung machen darf?

 

Mein Weg zu mehr Markenhoheit

Ich habe 1993 angefangen, mir meine Markenhoheit zurückzuerobern. Das erste, was diesem Aufräumem zum Opfer fiel, war eine Urkunde für eisgekühlten Bommerlunder, die schon so lange an einer Wand der Wirtschaft hing, dass ich sie schon vergessen hatte. Aber ein neugieriger Besucher fragte mich nach der Bedeutung des Siegels. Ich erklärte ihm stolz, dass diese Auszeichnung nur diejenigen Wirte bekämen, die ihren „Bommi“ auch in vorgekühlten Gläsern servieren.

Dann fragte er mich noch nach der Zahl, die auf dieser Urkunde stand. Es war die Ziffer 2754 – und jetzt wurde mir klar, was dieses ganze spätabendliche Interview bezwecken sollte. Ich war eben nur einer von vielen. Mindestens einer von 2754 Wirten. Also eine Nummer. Mir war sofort klar: Da muss ich einiges ändern. Ein paar Tage später hing an gleicher Stelle die „Erste Deutsche Apfelwein-Karte“ – gebunden in echtem Apfelholz. Und die gab es und gibt es bis heute noch nur bei mir. Endlich mal die Nummer 1 statt 2754.

Bis heute sind noch nicht alle Fremdmarken eliminiert, aber es sind weniger geworden. Ein wenig Brauerei-Nostalgiewerbung darf schon noch sein, aber alles Neue wird konsequent auf unser Markendesign ausgerichtet. Wir haben hierfür sogar einen kleinen „Styleguide“. Die Kosten für die eigenen Werbemittel sind meist sehr übersichtlich. Zum Beispiel würde es die Bierdeckel der Brauerei kostenlos geben, wir bezahlen im Bierdeckel-Webshop jedoch für 5000 Stück knapp 200 Euro. Für mich ist das kein Wareneinsatz, sondern es sind Marketingkosten, die mehr bringen als Anzeigen in der Tageszeitung.

Mein Tipp: Lassen Sie Ihre Marke wie einen roten Faden durch Ihren Betrieb marschieren. Nach und nach. Der Kellnerblock ist dann das i-Tüpfelchen. Oder eben das Kellnerhandy mit Logo. Einfach: Ja. Teuer: Nein!

Und die Kunden werden garantiert darauf reagieren. Wir geben seit fünf Jahren bei der Markenhoheit Gas. Und wer sät, der wird auch ernten. Mittlerweile sprechen uns Kunden sogar auf den „roten Faden“ an, der durchs Unternehmen läuft: Inen fällt auf, dass hier etwas anders ist als in anderen Hotels.

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