Koch-Duell
Zuerst war da eine freundliche Anfrage. Von Frau Autenrieth. Sie ist Leiterin der Dehoga-Akademie. Ob ich nach meinem Vortrag am Wirtetag der IBO in Friedrichshafen (Ínternationale Bodensee-Frühlingsmesse) noch für ein Kochduell zur Verfügung stände. Da ich Frau Autenrieth mag, habe ich JA! gesagt. Obwohl ich nicht wusste, was da auf mich zukommt…
Noch zu Hause musste ich mir anhand eines völlig unerotischen Formulars der Messeleitung meinen Warenkorb zusammenstellen. Natürlich stehen da keine Rhöner Produkte drauf – schliesslich sind wir hier am internationalen Bodensee. Von 50 Produkten aus aller Welt wähle ich die vorgeschriebenen 10 Favoriten aus. Mein Entscheidungskriterium ist einfach: Diese 10 Produkte müssten theoretisch auch in der Rhön zu haben sein.
Ich entscheide mich also für Lammrücken, einen Fisch namens Zander (der in der Rhön dann Bachforelle heißt), Champignons, Fenchel (o.k., schwierig in der Rhön, aber ich liebe Fenchel), Frühlingszwiebeln, rote Paprika, Beeren, Walnüsse und Tagliatelle (das Rhöner Pendant wären dann unsere langen Nüdelchen). Ein Produkt auf dieser Liste fehlt, und das halte ich für einen handfesten Skandal: ÄPFEL! Wie soll ich ohne meine Äpfel etwas Gescheites kochen??? Also schreibe ich ganz frech noch Äpfel der Sorte „Boskoop“ dazu. Und natürlich werde ich von zu Hause ApfelSherry und ein paar Spezial-Zutaten wie körnigen ApfelSherry-Senf und Bio-Birnensaft-Konzentrat mitbringen. Dazu noch das Lamm-Gewürz meines Freundes Dirk Ludwig. Und sicherheitshalber auch Äpfel. Damit auch der typische „Rhönerlebnis-Geschmack“ an mein Gericht kommt. Im übrigen habe ich überhaupt noch keine Ahnung, was ich exakt aus diesen ausgewählten Zutaten kochen werde. Ich überlasse es einfach mal der Tagesform, der zur Verfügung stehenden Zeit und dem Publikum…
Das Kochduell soll pünktlich um 12 Uhr beginnen. Mein Vortrag vor knapp 300 Kolleginnen und Kollegen im angeschlossenem Congresszentrum endet erst um 11.53 Uhr. Der Moderator steht schon in der Tür und macht ordentlich Druck. Ich muß ganz fix die Messehalle wechseln. Darf ich vorher zumindest noch meine Sachen zusammenpacken??? Dankeschön! Oh Mann, worauf habe ich mich da eingelassen? Mit 15 Minuten Verspätung erscheine ich in der Koch-Arena – alle anderen sind schon da. Die Zuschauerränge (noch) voll besetzt. Und natürlich viele Kollegen aus der Vortragsveranstaltung da. Na, die werden mir jetzt ganz genau auf die Finger schauen. Jetzt bin ich sogar ein“Promi-Koch“ – jedenfalls nennt mich der Moderator so. Und als Promi-Koch habe ich einen nicht minder prominenten Partner. Meiner heisst Michael Leibinger und ist der Chef der Ravensburger Brauerei Leibinger. Und ab jetzt sind wir das Duo „Salz“ – während unsere beiden Gegner „Pfeffer“ heißen und aus dem Braumeister und dem Brauhaus-Wirt der Meckatzer Brauerei im Allgäu bestehen. Michael Leibinger und ich verstehen und duzen uns sofort – das beschleunigt erheblich das Arbeitstempo. Allerdings sind die „pfeffrigen“ Kollegen besser vorbereitet: Denn ich habe keine Messer mit! Oh Mann! Klar, als richtiger Koch hast du immer deine Messer „am Mann“! Bin ich jetzt kein richtiger Koch määhr???
Micha und ich teilen uns die Arbeit auf. Und angesichts der Hektik und meiner leichten Kopfschmerzen (ich hasse Messehallen-Luft) entscheide ich mich, aus den Zutaten eines meiner berühmt-berüchtigten „Pfannengerichte“ oder „all-in-ones“ zu kochen. Während mein Braumeister fachmännisch Champignons, Frühlingszwiebeln, Paprika und Co. in Streifen schneidet, kümmere ich mich um das Kochen der Nudeln, ähh Tagliatelle. Wozu bin ich schlieslich Koch 😉 Außerdem schneide ich noch den Fenchel und blanchiere ihn. Das Filet des Fisch namens Zander schneide ich in große Streifen und auch der Lammrücken muss noch ausgebeint werden. Und der fleissige Micha wartet stets auf neue Anweisungen. Und zwischendurch kommt Schlag auf Schlag ein Leibinger-Bier (lecker) dann ein Meckatzer Bier (auch lecker), anschliessend ein Rose und jetzt noch irgendwas. Habe gar keine Zeit zum Trinken. Und jetzt wird mir vom „Südkurier“ auch noch mein Helfer zwecks Interview „ausgespannt“! Ich fange an zu schwitzen. Ein süßes Mädel in der vierten Reihe zwinkert mir zu und macht mir Mut. Jedtzt muß ich mich wieder konzentrieren.
Ich weiss gar nicht, wie weit meine netten Kollegen von der „Pfefferfarm“ nebenan mit ihren Gerichten sind. So wie ich gehört habe, kochen die auch noch eine Suppe mit Curry und irgendwas mit Poularde und Ananas. Und irgendwie ist die Poularde etwas dunkel geworden. Ist ja auch kein Wunder, denn bei solch einer Veranstaltung kommst du ja kaum zum Kochen! Und musst mit ungewohnter Technik arbeiten. Zwischendurch werde ich jetzt auch noch vom Moderator interviewt. Echt gemein, ich bin doch keine Frau! Kochen, reden, Anweisungen geben, puuhhh! Aber es ist wichtig, etwas darüber zu erzählen, warum man solch ein Gericht gerade so kocht. Und auch ein wenig über seine Hintergründe und den Hang zur Regionalität preisgibt. Ich habe das Gefühl, das Publikum ist sehr interessiert. Besonders dann, wenn du konkret wirst statt nur „Blabla“ loslässt. Übrigens nenne ich mein Gericht „Schwarzes Schaf“ – weil man normalerweise Fisch und Lamm nicht kombiniert. „Sündenbock“ wäre aber auch ein guter Name, fällt mir hinterher ein. Und ich merke, wie man das Publikum emotional mitnehmen kann. Es fängt an, richtig Spaß zu machen…
„Wir müssen jetzt das Finishing machen!“ meint der Moderator. O.k., dann fangen wir mal an. Und alles live und ohne Netz: Ich lasse Rapsöl in der Pfanne heißwerden und brate darin zuerst die Champignons (wegen der Farbe), dann Paprika, Fenchel (mit ein wenig Honig), die Frühlingszwiebeln. Den Zander und den Lammrücken habe ich vorher schon gebraten und im Ofen warmgehalten. Den Zander übrigens nur Salzen und Pfeffern und in ein wenig trockenem ApfelSherry marinieren (statt dem grausamen Zitronensaft). Den Lammrücken habe ich mit Dirk Ludwigs Lammgewürz eingerieben. Die Nudeln stehen ebenso wie die leicht gerösteten Walnüsse parat. Ich würze das ganz mit einer genialen Gewürmischung von Metzgermeister Dirk Ludwig aus groben Meeralz, Pfeffer, Olivenblätter, Fenchelsamen, Veilchenblüten, Zitronengras, Knoblauch, Pfeffer, Bohnenkraut, Petersilie, Rosmarin, Thymian,und wilder Majoran. Wichtig ist, das bei diesem Gericht die Nudeln nicht ganz fertig gegart sind. Also zwei Minuten vorher aus dem Wasser nehmen. Jetzt die Nudeln dazugeben, einen kräftigen Schuß halbtrockenen ApfelSherry daraufgeben, mit einer Prise Zucker und ganz wenig Birnensaftkonzentrat abschmecken.
Beim Vollenden dieses Pfannengerichts nehmen meine Zutaten ein bisschen zu viel Farbe, was aber dem Geschmack nicht abträglich ist. Sieht aber nicht ganz so schön määhr aus. Jetzt noch schnell Anrichten auf einem großen Teller, die gebratenen Zanderstücke auf die Gemüse-ApfelSherry-Nudeln legen, den Lammrücken tranchieren (ich habe Glück gehabt, er ist noch wunderbar rosa) und mit dem ApfelSherry-Senf-Chutney, den gehackten Walnüssen und den Himbeeren (Johannisbeeren gehen auch) ausgarnieren. Leider habe ich die tollen frischen Kräuter in der Koch-Duell-Hektik übersehen. Mit denen hätte ich das „Schwarze Schaf“ noch schöner inszenieren können. Zu spät! Der Teller wird präsentiert. Die Zuschauer dürfen abstimmen – und erst hinterher probieren. Eigentlich blöd, oder?
Während ich schnell noch eine zweite Pfanne dieses Gerichts zubereite, verfolge ich aus den Augenwinkeln die Abstimmung. Ist ja eigentlich nur eine Gaudi. Und vielleicht habe ja mindestens 3 Leute für Micha und mich gestimmt. Denn der Kollege nebenan wirkt viel professioneller. Und hat auch eine richtige Kochjacke an. Und das was er da kocht ist wahrscheinlich auch viel schwieriger als unser „Sündenbock“. Und schöner angerichtet hat er es auf jeden Fall. Als ich die hochgehaltenen Karten sehe, muss ich Micha schnell fragen, ob wir wirklich das Team „Salz“ sind. Aber auch Micha ist baff! Knapp 2/3 der Leute fanden unsere Darbietung gut. Juhuuu!Wir haben gewonnen!!! Doch jetzt gehts ans Eingemachte. Die Zuschauer kommen zu uns an die Töpfe und Pfannen und dürfen probieren. Und sind vom Geschmack unseres Genudelten LammFisches völlig begeistert. Einige fragen nach dem Rezept. Ich habe keines parat. Ist alles beim Kochen entstanden. Und deshalb habe ich diesen Blök geschrieben. Rezeptur-Aufzeichnungen gehen auch anders!