Keller-Buch 2016
Ein Keller-Buch als Blök hat es wohl auch noch nicht gegeben. Aber nach diesem genialen Apfelherbst mit 35 Tonnen Rhönäpfel & Co. ist das jetzt echt mal angesagt. Keltern zu Beginn bei tropischen Temperaturen und zum Abschluß bei Eis und Schnee. Whow! Wahrlich ein apfelgeiles Jahr…
Zur Erläuterung: Das „Kelllerbuch“ gehört zur verpflichtenden Dokumentation des Winzers über die Arbeit im Weinberg und im Keller. Auch ein Apfelwinzer muß ein Kellerbuch führen. Eine nüchterne und sachliche Angelegenheit. Büro-Schreibkram halt. Hier erstmals die emotionale Variante. Allerdings nur ein Auszug…
Mittwoch, 14. September 2016, 10.09 Uhr: Die Keltersaison 2016 ist eröffnet! Bei tropischen Temperaturen. Für Rhöner Verhältnisse sind 30 Grad Celsius schon ganz sportlich. Sportlich und luftig gekleidet kommen auch meine Team-Mitglieder Kathi und Ben daher. Auf gehts! Wir sind super drauf. Und erpressen knapp 1.400 kg Äpfel zu 1.000 Liter Saft. Jede Menge Zuschauer, der Reporter vom HR aus Fulda und zum Glück keine Wespen. Da es so wunderbar warm wie in Spanien ist, entscheide ich mich spontan für die Außengärung. Wie in Spanien eben. Das Wetter gibt es ausnahmsweise mal her. Daraus wird etwas ganz Besonderes: „Rosa küsst Johann – mein Altweiber-Sommer-Rose‘. Gibts schon auf Flasche. Lieblingsstoff meiner Mädels im Betrieb. Aber nicht nur…
Freitag, 23. September 2016, 16.10 Uhr: Rhöner Äpfel treffen auf Fränkischen Dornfelder. Ein Apfelwein-Wein-Experiment. Spannend. Und beim Hefeabstich (das Trennen des Weines von der sedimentierten Hefe) bin ich nach der Verkostung mehr als nur begeistert. Das wird echt der Hammer! Da freue ich mich schon drauf wie ein kleines Kind auf Weihnachten…
Dienstag, 11. Oktober 2016, 10.30 Uhr: Der erste Saft vom Riesenboiken-Apfel läuft von der Presse. Die feine, präsente Säure haut mich um. Der Fruchtzucker passt. Nicht zuviel. Nicht zu wenig. DAS muß unbedingt ein alkoholfreier Saft-Secco werden. Wird es auch. Echt eine Besonderheit. Und jetzt schon als „Grüner Riese“ zu haben… Und dann kommt noch der sagenhafte „Signe Tillish“ auf den Hof gerollt. So knapp 700 Kilogramm. Ich bin begeistert. Die Apfelsorte „Signe Tillish“ kommt ursrünglich aus Dänemark und ist fast 200 Jahre alt. Keine Ahnung wie dieser Apfel auch in meinem Nachbarort seßhaft werden konnte. Ein Aromaapfel. Ohne Wenn und Aber…
Dienstag, 25. Oktober 2016, 10.05 Uhr: Die eigenen Bio-Äpfel werden erpresst. Am Tag zuvor hatten wir bei schmuddeligem Herbstwetter (ach war das Mitte September doch so angenehm) knapp zwei Tonnen von unseren Obstwiesen eingesammelt. Danke an mein wirklich wetterfestes Team! Am Tag darauf fahre ich 1.000 Liter besten frischgepressten Saft Richtung Worms zu unserem Essigmacher Frank Kaltenthaler. Daraus soll der erste Rhöner Apfel-Balsam werden. Ist er auch geworden. Und wie der geworden ist! Ein Probefläschen steht schon hier…
Donnerstag, 10. November 2016, 21.30 Uhr: Die Keltersaison ist beendet. Trotz Protesten meiner Frau gehe ich aber nochmal mit einem kleinen Team raus in die tiefe Rhön und rette die letzten Äpfel vor dem Schnee und vor dem sicheren Tod durch Erfrieren. Es ist arschkalt, naß und windig. Kurz: Echt ungemütlich. Aber die Mühe lohnt sich. Denn Qualität kommt bekanntlich von Quälen. Ist nunmal der gleiche Wortstamm 🙂 Auch die Quitten sind an der Reihe. Im wahrsten Sinne des Wortes ein knallhartes Geschäft. Der Schneeapfel & Quitte ist jetzt noch in der Endphase der Vergärung. Aber auch da wird was draus. Ganz sicher. Und der alkoholfreie Secco mit 30% (!) Quitte ist echt mal was für die Genießer, die nicht unbedingt auf süß stehen.
Fazit: Das Jahr des Apfelwinzer war anstrengend und mitunter hart. Die Äpfel sauer – und für die Zuckerfülle kam der Sommer ein wenig zu spät. Die Kellerarbeiten sind aufwändig und anstrengend. Machen aber extrem viel Freude. Vor allen Dingen dann, wenn sich in den Fässern jetzt richtig gute Tropfen entwickeln. Gut Ding braucht Zeit. Die Zeit ist eben mein Verbündeter. Gut so!
In diesem Sinne noch eine schöne Zeit in 2016 und in 2017 viel Zeit für die schönen und wichtigen (nicht zu verwechseln mit den dringenden) Dinge des Lebens. Herzlichst Euer Apfelwinzer Jürgen H. Krenzer