Ich bin eine Karmeliter-Renette…
Das haben wir schon immer so gemacht! oder Das haben wir noch nie so gemacht! sind DIE beiden Erfolgsverhinderer in Deutschland. Diese kleine Geschichte ist all jenen gewidmet, die nach wie vor die traditionelle Asche verwalten statt innovative Feuer zu entzünden…
Wie ApfelWein schmecken muss
…erzählt aus der Perspektive der 2008er Karmeliter-Renette von ApfelWinzer Jürgen H. Krenzer
Ich bin ein ApfelWein. Und stolz darauf. Denn ich bin ein Wein. Aus Äpfeln! Und ich lege Wert darauf, das ich nicht einfach so als „Äppler“ verunglimpft werde. Und das Wort „Schoppe“ höre ich auch nicht so gerne. Lieber höre ich auf meinen richtigen Namen: „Karmeliter-Renette“! Denn ich werde genauso gemacht wie ein Wein. Und ich bin ich ja auch ein Wein. Aus Äpfeln eben! Und zwar aus der Renette der Karmeliter! Und dazu bin ich noch etwas ganz Besonderes, denn mich gibt es nicht so häufig wie einen Müller-Thurgau oder einen Portugieser.
Und ich finde es gut, das mein Kelterer Jürgen versucht, die Besonderheiten meiner Apfelsorte herauszuarbeiten. Das gehört sich einfach so. Denn schließlich gibt es alleine in Hessen über 800 Apfelsorten. Garantiert. Denn in der Rhön sind es schon über 400. Und Hessen ist ja mindestens doppelt so groß wie die Rhön. Und der Jürgen macht das genauso wie ein Winzer. Nur vollreif komme ich in die Presse. Damit der Wein kein Trübsal bläst, werden auch meine Trübstoffe entfernt. Behutsam natürlich. Im wahrsten Sinne des Wortes. Anschließend bekomme ich den gleichen Sparringspartner ins Faß wie mein fränkischer Kollege, der Silvaner. Denn die Reinzuchthefe macht aus meinem Saft einen eleganten Wein. Das braucht Zeit, aber ich muss ständig kontrolliert werden. Und ein paar Monate später komme ich in die Flasche – natürlich in eine Schöne mit ansprechendem Etikett. So, da bin ich jetzt! Und warte darauf, vernascht zu werden.
Doch was passiert jetzt?
Statt der erhofften Weintrinker kommen sogenannte „Schoppepetzer“ auf mich zu. Hilfe!!! Deren Profil: Sauer macht lustig! Und ja net soviel Alkohol, denn wir wollen den Schoppe ja literweise trinken. Und dazu noch Handkäse mit sauer Weinessig essen. Oh, mein Gott! Und dann wahrscheinlich hinterher eine Ladung Talcid schlucken. Die können mit mir rein gar nichts anfangen. Obwohl ich sorten-rein bin. Es ist zum Heulen. Ich schmecke angeblich zu wenig nach Äpfeln. Wie bitte? Die glauben tatsächlich, alles müsste nach diesem Bohnapfel schmecken, dem Macho aller Äpfel. Und dann beschweren sich diese Schoppepetzer tatsächlich darüber, das ich auch noch zu viel Alkohol habe! Ich fasse es nicht.
Aber zum Glück passiert mir das meist nur in Frankfurt. Hier in meiner Heimat, dem Biosphärenreservat Rhön, finden mich die Leute supersexy. Oftmals höre ich Aussagen wie „Das ist Apfelwein? Schmeckt ja fantastisch! Endlich schmecke ich einmal die Aromen, die ich sonst nur erriechen kann.“ Vollreife und Alkohol sei Dank. Ein guter Apfelwein braucht 6 bis 7% Alkohol – denn der ist Geschmacksträger. Wie Sahne und Butter beim Essen. Ich bin eine neue Generation von ApfelWein – und stehe auch dazu. In mir ist eben mehr drin.
TraubenWein schmeckt nach Trauben – ApfelWein nach Äpfeln. Beides ist falsch. TraubenWein schmeckt nach Silvaner oder Riesling. ApfelWein nach Goldparmäne oder Boskoop. Bewusst sind hier die Extreme aufgeführt. Es lebe die Vielfalt. Und alles Käse mit dieser Äppler-Askese! Zum wohl – auch mit mehr Alkohol!