Geschaaft!!!

Verfasst am 18.05.2009 von

„Der Typ hat doch den totalen Adrenalinschub, schau mal wie der lacht! Das gibt’s doch gar nicht!“ Doch das gibt’s. Der Typ bin ich nämlich und ich befinde mich gerade auf der Zielgeraden des 43,5 km langen Rennsteig-Marathons in Schmiedefeld/Thüringer Wald. Ein überwältigendes Gefühl, nach knapp 6 Stunden Strapazen und Leiden hier einzulaufen. Das kann man nicht beschreiben – wie soll man auch beschreiben können, wie man den Kampf gegen sich selbst und seinen Körper gerade gewonnen hat. Einfach irre…

Es ist ja nicht mein erster Marathon – aber der letzte liegt nun schon 7 Jahre zurück. Da war ich 1 ½ Stunden schneller. Doch dieser Marathon zählt für mich viel määhr. Erstens bin ich ihn fast aus dem Stand gelaufen – 3 Wochen Training sind einfach zu wenig. Und zweitens war ich kurz vorher noch eine ganze Woche krank. Trotzdem wollte ich es versuchen. Denn Ausreden, etwas nicht zu tun gibt es doch zuhauf. Und drittens habe ich es ganz locker gesehen – habe am Abend auch noch mit meinem Schwiegervater ein Bierchen getrunken. Ich weiß, jeder Arzt würde jetzt die Krise kriegen. Hoffentlich liest mein lieber Hausarzt diese Zeilen nicht…

Der Start mit über 3.000 Läufern am Morgen erzeugt für mich ein Gefühl grösster Demut. Ja, ich bin gesund. Ich kann hier mitlaufen. Immerhin – mit 44 Jahren schon lange keine Selbstverständlichkeit määhr. Während eine Blaskapelle den Schneewalzer und das Rennsteiglied versucht zu spielen, bedanke ich mich schnell „bei dem da oben“ und bin den Tränen nah. Quatsch. Ich heule. Ja, ich kann l a u f e n! DANKE!!! Alles andere ist doch sch…egal!

Nachdem ich jahrelang immer im Hauptfeld gelaufen bin (also dort, wo der Durchschnitt unterwegs ist, und Durchschnitt ist ja bekanntlich schlimm) entscheide ich mich heute für das Absolvieren des Wettbewerbs im hinteren Bereich. Und dort habe ich eine Menge Spaß. Die Läufer sind lockerer und richtig gut drauf. Und auch jede Menge attraktive und witzige Läuferinnen laufen hier mehr aus Spaß als aus Leistungsdruck – letzterer ist ja oft eine negative männliche Eigenschaft. Und das Wichtigste: Hier kann echt jeder über sich selbst noch lachen. Einfach klasse! Und was da für skurrille Typen da rumlaufen. Einer ist schon knapp 80 – aber topfit. Ein anderer Typ aus Sachsen läuft mit seiner Landesfahne – Respekt. Ein junges Mädel ist gerade 18 – und will den Rennsteig bezwingen. Das T-Shirt mit dem Aufdruck „Rennsteig-Bezwingerin“ haben ihre Eltern schon gedruckt und es liegt im Ziel bereit. Das ist ihre Motivation. Sie hat zufällig die gleiche Renntaktik wie ich: Ab Kilometer 30 eine Kombination aus zügig die steilen Berge hinaufgehen und bergab laufen.

Wobei ich bergauf richtig gut drauf bin – aber bergab ein höllisches Stechen in den Kniescheiben habe. Ich freue mich daher auf jede Steigung – für andere Läufer unverstellbar. Aber es ist so. Das Mädel fotografiert mich noch bei Kilometer 33 und verlässt mich dann. Ich will einfach nur ankommen – sie will das unter 6 Stunden. Was sie garantiert auch schafft. Im hinteren Feld zu laufen heißt allerdings auch, manchmal ziemlich alleine zu sein. Denn die Zahl der Teilnehmer dünnt sich hier ziemlich aus. Dafür hat man dann den totalen Naturgenuß!

Jeder Meter ein Erlebnis – wenn die stechenden Kniescheiben nicht wären! Zweimal lasse ich mir die Waden massieren und genieße dabei die Spezialität des Tages: Haferschleim. Das obligatorische Köstritzer lasse ich 5 km vor dem Ziel ausfallen. Was mir allerdings schwer fällt. Mein neuer Laufpartner, ein älterer Herr Anfang 60 kann das nicht verstehen und versucht mir die positiven Faktoren von Bier zu erläutern. Neue Energie, Mineralstoffe, Blutverdünnung… Die sind mir als Brauer durchaus bekannt. Aber ich weiß, das es kurz vor dem Ziel noch einmal ganz hinterlistige 500 Meter steil bergauf geht. Und ich habe mir vorgenommen, auf dem letzten Kilometer noch eine Schippe draufzulegen.

Der Abstieg vom Rennsteig nach Schmiedefeld wird für mich zur Qual. Mein linkes Knie schmerzt höllisch. Also gehe ich ausgerechnet dort, wo alle anderen noch mal Gas geben. Das ist der reinste Psycho-Terror. Ich werde wahnsinnig.  Mein größter Moment kommt aber bei der letzten Steigung. Denn das ist heute meine Stärke. Ich laufe bergauf wie ein junges Reh und die Zuschauer feuern mich an. Alle anderen gehen gemächlich. Auch hier wieder ein Riesenvorteil, wenn du nicht im Hauptfeld läufst: Der Applaus gilt nur dir! Das hat was.

Ich hole noch alle Läufer ein, die mich bergab überholt haben und lande überglücklich im Ziel. Ich habe es tatsächlich geschafft. Meine Mitläufer der letzten 10 Kilometer gratulieren mir für den fulminanten Endspurt – und ich gratuliere ihnen für ihre tolle Leistung. Das hat richtig Spaß gemacht. Der nächste Rennsteiglauf ist am 8. Mai 2010. Ich habe wieder richtig Lust bekommen. Ob ich mich schon mal anmelden soll? Marathon laufen ist eine Sucht. Sie hat mich wieder im Griff….

Übrigens… wer jetzt Lust bekommen haben sollte, am Samstag, 11. Juli ist der 3. Rhönschaf-Lauf. Ein Genuß-Halbmarathon der Extraklasse!

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