Wissen sie, ich bin vom Fach!
„Fachidiot schlägt Kunde tot!“ Ein treffendes Zitat. Ich liebe es. Auf den heutigen Abend trifft es nur bedingt zu. Denn die Fachleute waren die Gäste. Und meine Service-Mitarbeiterin das Opfer…
Aber nun von vorne. Es ist Sonntagabend, 20.05 und meine Mandy kommt in die Küche. „Chef, so etwas habe ich in 3 Jahren Lehre und in jetzt zwei ausgelernten Jahren noch nie erlebt. Die Gäste auf Tisch 21 haben mir gerade einen Vortrag gehalten, dass unser Apfel(Sherry)Tiramisu ja fachlich völlig falsch ist. Es ist weder Mascarpone, noch Amaretto oder Kaffee/Espresso drinnen. Es darf deshalb auch gar nicht so heißen. Außerdem sei es komplett geschmacksneutral. Und sie empfehlen die Bezeichnung „nach Art eines italienischen Tiramisu“. Ich höre aufmerksam zu. Dann kommt aus dem Bauch heraus meine Frage: „Und dann haben sie dir noch gesagt, das sie vom Fach sind, oder?“ Mandy schaut mich kreidebleich an: „Ja, das haben sie! Woher weisst Du das?“
Eigentlich wäre der Blök hier schon zu Ende. Denn viele können sich schon denken, was jetzt folgt. Apropos: Habe ich Mascarpone überhaupt richtig geschrieben? Ich kenne dieses fette Zeugs ja gar nicht richtig. Wir nehmen Quark, Joghurt und Schmand für unseren Apfel-Tiramisu. Der übrigens von den Kollegen landauf und landab gerne kopiert wird. Das launische Rezept gibts übrigens hier…
O.k., nochmal von vorne. Das passiert ja hier bei uns öfter. Sowohl die Kopie als auch die Besserwisserei. Kein Wunder, wenn du anders bist. Immer öfter hast du diese Tausendschlauen im Lokal. Manchmal frage ich mich, warum wir hier überhaupt noch hier existieren. Denn laut dieser (selbsternannten) Experten sind wir längst schon pleite. So unkonventionell wie wir denken und arbeiten. Nicht, das das falsch verstanden wird. Denn wir lieben Kritik. Weil Kritik Liebe ist. Und manchmal auch weh tut. Gut so. Besserwisserei ist eine andere Kategorie. Das sind meistens Leute, die nichts wissen (oder verstehen) aber trotzdem was sagen wollen. Es nervt. Vor allen Dingen nervt es meine Mitarbeiter, die hundertprozentig hinter unserem Laden stehen.
Interessant ist aber immer wieder, wer hinter den „Ich-bin-vom-Fach-Leuten“ steht. Selten ein richtiger Kollege mit eigenem Laden. Oftmals aber Menschen, die mal auf einem Sportfest am Würstchengrill gestanden sind oder beim Kleintierzuchtverein Bierkisten geschleppt haben. Und schwupp: Schon ist man vom Fach. Ach, ich darf jene nicht vergessen, die mal einen Kochkurs bei diveresen Kochdiven absolviert haben. Die sind natürlich dann auch „vom Fach“.
Neulich hatten wir einen Abiturklasse zu Gast. Eine selbstbewusste und älter wirkende Blondine bediente sich heimlich selbst am Apfelsherry-Ballon. Als meine Wenke sie darauf aufmerksam machte, das dieses Getränk nun zu zahlen sei, meinte sie: „Sie sind ganz schön unfreundlich hier. Wissen sie, ich bin nämlich vom Fach!“ Noch Fragen?