Unternehmer-Paar „Ich habe meine größte Kritikerin geheiratet“

Verfasst am 18.01.2018 von

Wenn Paare gemeinsam ein Unternehmen führen, ist die Liebe in Gefahr. Passt man nicht auf, ist irgendwann die Luft raus.

impulse-Blogger Jürgen Krenzer weiß, wie schwierig es ist, Unternehmer zu sein – und verheiratet zu bleiben. Was er aus einer heftigen Krise gelernt hat.

Wenn es vor 20 Jahren nach meiner Hausbank gegangen wäre, hätte die Lösung aller Kreditprobleme so ausgesehen: Meine Frau Sylvi arbeitet weiter als Landschaftsplanerin fest und sicher angestellt in einem großen Architekturbüro. Und ich bin allein verantwortlich für meinen Laden. Das Risiko für die Bank ist gestreut. Wenn ich hopsgehe mit meinem Hotel, kommt man noch an das sichere Gehalt meiner Frau – und an ihr Häuschen.

Doch dass unser Laden heute so gut läuft, ist nur der Tatsache zu verdanken, dass meine Frau so intensiv mitarbeitet. Wir sind ein echtes Dream-Team geworden. Und das ist sehr, sehr anstrengend. Weil wir so wahnsinnig unterschiedlich sind. Bis heute ist mir manchmal schleierhaft, wie wir überhaupt zusammenfinden konnten. Da gibt es bis auf die intensive Vorliebe zum Kult-Musiker Peter Gabriel keine, aber auch wirklich keine Gemeinsamkeiten.

 

Der kritische Blick meiner Frau ist gut fürs Unternehmen – aber schlecht für unsere Ehe

Ich habe einmal geglaubt, ich könnte ein Unternehmen allein führen. Aber wie erfolgreich wäre ich dann? Ein richtig guter Unternehmer muss drei Eigenschaften in sich vereinen: 1. Den Visionär. 2. Den Umsetzer. 3. Den Kritiker. Yepp! Die ersten beiden sind für mich kein Problem. Aber der Kritiker? Wieso muss ich meine Visionen und deren praktische Umsetzung kritisch hinterfragen? ICH doch nicht! Gut, dass ich meine größte Kritikerin geheiratet habe.

Das ist nicht immer lustig. Aber es macht sehr erfolgreich. Alles wird hinterfragt, nachgerechnet und oft auch nicht einfach so durchgewunken – nur weil es vom Chef kommt. Ganz im Gegenteil. Das ist in der strategischen Betrachtung sicherlich gut für das Unternehmen, aber verdammt schlecht für die Ehe. Wäre meine Frau eine Mitarbeiterin im Controlling oder eine externe Beraterin, mit der ich privat nichts zu tun habe – alles kein Problem! Aber wie soll ich mit jemanden am Abend noch ins Bett gehen, mit dem ich mich den ganzen Tage gezofft habe? Und dabei auch noch Sex haben? Geht gar nicht, oder?

Unser achter Hochzeitstag wäre beinahe unser letzter gewesen

Für viele Ehepaare ist das normale Zusammenleben mit Kindern und dem getrennten Berufsalltag schon schwierig. Aber das, was in unserer Ehe manchmal abgeht, ist im Vergleich echt Hardcore. Um mich an einen besonders heftigen Moment zu erinnern, muss ich nur auf den Hochschrank im Flur unseres Hauses schauen. Da liegt er noch. Der Strauß. Mit den roten Rosen. Acht an der Zahl. Luftgetrocknet. Und schon ziemlich angestaubt. Keiner von uns räumt ihn weg. Eigentlich merkwürdig, erinnert dieser Strauß doch an unseren achten Hochzeitstag am 13. März 2014, der in vielen Beziehungen wahrscheinlich der letzte gewesen wäre. Fast auch in unserer Ehe …

Im Frühjahr haben wir Betriebsferien – und  wie so oft renovieren wir wieder und bauen um. Die Nerven liegen an solchen Tagen blank. Und an diesem 13. März kam dann alles zusammen. Am Morgen noch besorge ich einen tollen Rosenstrauß und drapiere ihn auf unserem Küchentisch. Doch diesen Strauß sollte meine Frau erst einmal nicht sehen.

Für den Abend habe ich Theatertickets in Frankfurt inklusive Übernachtung und Betreuung unserer Kinder organisiert. Wir haben an dem Tag beide gut zu tun. Und jeder will rechtzeitig mit seiner Arbeit fertig werden. Schließlich wollen wir am Abend unseren Hochzeitstag feiern! Doch ein klitzekleines organisatorisches Problem – die Dienstplangestaltung einer von mir sehr geschätzten Mitarbeiterin -bringt das Fass, das sich in den letzten Wochen schon ordentlich gefüllt hat, zum Überlaufen.

Der betriebliche Alltag hat unsere Beziehung wie eine Dampfwalze überrollt

Nichts geht mehr. Ich ziehe die Reißleine. Mit dieser miesen Stimmung noch ins Theater? Und dafür die 100 Kilometer nach Frankfurt fahren? Gute Miene zum Scheiß-Spiel. NIEMALS! Nicht mit mir! Natürlich müssen die Emotionen raus – wir gehen nicht gerade zärtlich (mit Worten immerhin) miteinander um. Austeilen können wir beide ziemlich gut. Aber einstecken? Unser Sohn Max, damals 13 Jahre alt, fragt mich, was los sei. Ich sage ihm, dass dies wohl das Ende unserer bisher wunderbaren Ehe ist. Er glaubt es mir nicht wirklich. Schaut mich nur fragend an. Ich brauche jetzt ein Bier. Und frische Luft.

Soll es das wirklich gewesen sein? ICH jedenfalls kann so nicht weiterleben. Der betriebliche Alltag hat unsere Beziehung wie eine Dampfwalze überrollt. Ich sehe keine Chance weiterzumachen. Plötzlich steht meine Frau vor mir. Sie muss wohl gerade den Rosenstrauß mit meiner Liebeserklärung vom Morgen entdeckt haben. Sie weint. Ich auch.

Unternehmen kommen und gehen – die Liebe bleibt

Eigentlich lieben wir uns. Und uneigentlich auch. Sehr sogar! Wenn dieser Scheiß-Betrieb nicht immer wäre. Wir schauen uns an. Und wissen: Wir lieben uns immer noch. Und wir stellen fest: Wir beide sind wichtiger als das Unternehmen. Letztendlich ist es „nur“ ein Unternehmen. Unternehmen kommen und gehen. Liebe bleibt. Für immer. Oder einfach nur für uns. Wir umarmen uns. Zaghaft. Ja – da ist noch was. Wir küssen uns. Die Kinder sind plötzlich alle verschwunden. Wahrscheinlich erleichtert. Aber es geht auch nicht um unsere Kinder. Es geht um uns. Ein ganz besonderer Abend, den wir beide nicht so schnell vergessen werden.

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