KRASS! …ein Jahr wie ein Apfelwein

Verfasst am 29.12.2017 von

Freitag, 29. Dezember 2017, 23.03 Uhr:

Es schneit. Wieder einmal. Heißt für mich im Klartext: Morgen früh ist nix mit Ausschlafen. Schneeschippen ist angesagt. Apropos: Soviel Schnee wie dieses Jahr im Dezember habe ich selten geschippt. Leider ist er auch nicht lange liegen geblieben. Meine aufgeschippten Schneehaufen schon…

Ja, was bleibt überhaupt von 2017 – außer ein paar weißgraue Schneehäufchen? Ein zukunftsgerichteter Rückblick:

Freitag, 31. März 2017, ein wirklich wunderschöner Sommertag im Rhöner Winter. Am frühen Morgen kündigt unerwartet meine Jungköchin. Da im Juni meine Küchenchefin Anne in die määhr als wohlverdiente Rente geht und andere im Küchenteam gerade gesundheitlich stark angeschlagen sind, weiß ich schon, was mir blüht. Aber die Kochjacke passt ja noch, denke ich. Also alles kein Problem. Denke ich.

Und egal, welche Scheissnachrichten du mal wieder bekommst, du sollst DEIN Leben genießen. Du weisst  ja nicht, wie lange du noch Zeit hast. Und genau das tue ich an diesem Tag gemeinsam mit zwei lieben Freunden. Lissy und Mathes. Wir nutzen das schöne Wetter und verkosten unsere jungen Apfelweine Jahrgang 2016 vor meiner kleinen Apfelwinzerei. Und sind begeistert. Ausnahmslos. Doch plötzlich, bei einem sortenreinen Apfelwein aus dem Berner Rosenapfel stutzt mein Freund Mathes. Und sagt beim Verkosten erstmal nix. Das passierte bis dato nie. Ich frage deshalb neugierig nach: „Und, wie isser?“ Antwort: „Krass!“ Ich: „Wie, was, krass?“ Er: „Ja, KRASS eben!“ Ich: Kannst du da nicht noch ein bisschen mehr Butter bei die Fische geben?“ Er: „Nö, Krass reicht. Alles gesagt!“ Ich: „O.k., dann nennen wir ihn KRASS!“. Und so krass wie dieser Apfelwein (es gibt ja keine Zufälle) sollte auch das Jahr 2017 laufen…

Besonders krass war der Frühling. Erst mal klimatechnisch. Auf die Hitze im März folgte der Frost Ende April. Und damit war klar, dass die Apfelernte den Wetterkapriolen zum Opfer fällt. Naja, denke ich so bei mir. Dann isses eben so. PASSIERT!  (und denke an meine PASSIERTEN TOMATEN)  Du kannst es eben nicht ändern. Dann habe ich mehr Zeit, um mich um meine Küche zu kümmern. Denn in der Tat sind wir da im April und Mai – ausgerechnet zum Saisonstart – ziemlich dünn besetzt. Sehr dünn zum Teil. Hauchdünn. Es gab Tage, wenn ich da auch nur noch einen (zusätzlichen) Ausfall gehabt hätte, wäre die Küche kalt geblieben. Arschkalt. Und so manchmal bin ich früh am Morgen aufgewacht und wusste nicht, wer heute überhaupt kochen soll. Beim Blick in den Badezimmerspiegel wusste ich es wieder. Natürlich. Logisch. Ist ja klar! ICH! Gut, das man mal einen gescheiten Beruf gelernt hat. Echt KRASS!

Köchinnen und Köche fallen gerade nicht vom Himmel – und es gibt entspanntere Jobs als in dieser besch… Gastronomie.  Nicht nur deshalb wird es in Kürze den von mir prophezeiten gastronomischen Urknall geben. Eine kurzfristige Lösung heißt nur eine konsequente Verkleinerung (oder sagen wir besser „Optimierung“ – wollte ich schon immer machen, es braucht e aber diesen Zünder) der Karte und eine Veränderung der Küchenöffnungszeiten. Hilft ja nichts. So schnell sind keine neuen Leute in Sicht. Die kommen dann zum Glück nach und nach im Mai, Juni, Oktober und sogar noch vor kurzem im November. Und letztendlich stehen mittlerweile Köche bei uns am Herd, von deren Existenz ich im April noch nix wusste. KRASS, oder?

Aber die Neuen  machen das gut. Finde ich. Wie immer läuft das am Anfang immer so wie der deutsche Rumpelfußball anno 2002 unter Rudi Völler – aber der war ja auch nicht ganz erfolglos J Und ich lerne im gereifen Alter, das Kochen aus 40 % Putzen und 40% Organisation besteht. Das wissen aber noch längst nicht alle Köche. Noch nicht. KRASS, oder?    

Und dann klappt es doch tatsächlich, das Sylvi, unsere Mäxe und ich mit unserem Krenzer-Mobil in die Sommer-Auszeit fahren können. Die ist nach den letzten Monaten auch dringend nötig. Und tut besonders mir sehr gut. Dafür bin ich sehr dankbar und übe mich in Demut.

Demut auch deshalb, weil ich Mitte Mai einen guten Freund verloren habe. Schon wieder. Und ich mir an seinem Grab (das auch das Grab seiner geliebten Tochter ist) geschworen habe, das ich nicht mehr so weitermachen werde wie bisher. Aber das ist leicht gesagt. Die Umsetzung ist eine ganz andere Herausforderung. Ich werde nachdenklich, reflektiere ständig, kaum einer versteht mich – den ganzen Sommer über bin ich irgendwie „schwanger“. Ich bin auch latent oft unzufrieden. Was soll eigentlich dieser ganze Sch… auf unserer Welt? Wo – und vor allem für was leben wir eigentlich? Wollen wir das wirklich? Was soll ich eigentlich noch hier?

Sinnkrise, und das bei mir – echt KRASS!

Als sich dann im Spätsommer meine Familie mit dem durchaus wichtigen Thema „Familenauto“ beschäftigt und ich nur genervt bin – und dann mein tschechischer Koch die Rhöner Lauchsoße „verhaut“, bin ich raus. Oh mein Gott! Bier hilft. Viel Bier hilft viel…

KRASS!

Irgendwann wird leider auch dieser KRENZER wieder normal und funktioniert so, wie es nun mal unser System will. Ich kaufe die gebrauchte schwarze 7-sitzige Edelkarosse und sehe über manche Schwächen meiner Mitarbeiter hinweg. Das ist eh alles relativ – und außerdem bin ich ja auch noch schwanger. Da hat dann auch Mann so seine Launen…

Endlich kommt der Herbst. Meine Zeit ist angebrochen! Eigentlich. Nur blöd, das die Äpfel fehlen! Das ist dann wie Sex ohne Frau. Suboptimal. Plötzlich passiert es. Mein Team gibt Apfel-Gas! Meine Leute rund um Ben und Kathi führen einen Apfel-Häuserkampf! Es gibt Flugblatt- und Plakataktionen. Alle hängen sich rein. Unglaublich, was hier gerade passiert. ICH BIN WIEDER DA! YEAAH! DANKE!!!

Letztendlich sammeln wir in der fast apfellosen Rhön 25 Tonnen Äpfel ein – also 25.000 kg. Das sind fast 75% der sehr guten Vorjahresernte. KRASS, oder?

Dabei hatte ich im Herbst nochmal ordentlich Bier eingebraut und erstmals auch auf Flasche füllen lassen. Wusste ja nicht, dass es doch Äpfel gibt. Und irgendwas Besonderes müssen wir und unsere Gäste schon trinken…

So – und jetzt ist das Jahr 2017 wieder Geschichte. Für mich eine krasse Geschichte. Bleibt noch zu erwähnen, dass ich in diesem Jahr so viele Vorträge und Seminare hatte wie lange nicht mehr. Da hatte ich Bock drauf. Und eine begeisternde Resonanz. Kurzum: Irgendwas ist mit mir passiert. Es fühlt sich gut an. Sehr gut sogar. Und jetzt in den sogenannten „Rauhnächten“ zwischen Wintersonnenwende und Heilig Dreikönig kann ich das Alles noch einmal wunderbar reflektieren. Ja – geblökt habe ich selten. Vielleicht jetzt auch ein wenig verständlich für meine Leser. Auch meine Kolumnen für die AHGZ und IMPULSE haben sich ein wenig ausgedünnt. Das wird sich in 2018 ändern. Versprochen!

Ich verneige mich vor einem großartigen Team und einer fantastischen Familie, die mir Liebe und Kraft gibt. DANKE, liebes Universum, das ich das erleben darf!

Und so sage ich dem Jahr 2017 ein krasses DANKE! Und begrüße das Neue Jahr 2018 mit einem noch krasserem JA!

Ich freue mich darauf – ich hoffe ihr auch. Auf unsere Zukunft – denn sie ist das Einzige was wir haben! Bleibt bitte gesund – bis bald!

Euer Rhönschaf  Jürgen

 

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