Sturm-Lauf

Verfasst am 01.03.2010 von

Schlüchtern. Sonntag, 28. Februar 2010. 15.35 Uhr. Dirk Ludwig, einer der innovativsten und besten Metzger der Republik (und Hersteller der ApfelSherry-Lammsalami) und ich laufen los. Starten zu einem Marathon-Trainingslauf, der mit rund 20 Kilometern veranschlagt ist. Zweimal haben wir unseren gemeinsamen Lauftermin bereits verschoben. Doch heute soll es sein. Doch kaum sind wir nach der Kurzbesichtigung seiner Metzgerei im Freien wissen wir, das wir nicht alleine laufen. Xynthia läuft mit! Normalerweise habe ich kein Problem damit, mit Frauen zu laufen. Doch Xynthia ist eine ganz besondere Frau. Denn ihre Anwesenheit verleiht uns auf den ersten 3 Kilometern wahrlich Flügel. Aber es sollte noch anders kommen…

Denn Xynthia ist das Sturmtief. Und das ist wirklich heftig. Ein Werbeschild fliegt uns im Gewerbegebiet direkt vor die Füße. So ein Ding auf dem Kopf, und du bist tot. Knapp daneben ist aber auch vorbei. Weiterlaufen! Denn wir sind keine Weicheier. Jetzt laufen wir mitten auf der Straße. Sicherheitshalber. Denn bei diesem Sturm traut sich sowieso kein Mensch Auto zu fahren. Nach Kilometer 4 geht es bergauf. Mit Gegensturm. Denn von Gegen-Wind kann jetzt keine Rede määhr sein. Das ist brutal. So etwas habe ich noch nie erlebt. Dirk auch nicht. Aber wir sind zwei Kämpfertypen und kämpfen uns jetzt da durch. Frauen würden jetzt sagen: Typisch Männer! Stimmt nicht. Denn schön wäre es, wenn es so wäre. Wie oft wird ein Vorhaben aufgegeben, nur weil ein paar Rahmenbedingungen nicht passen? Und wie oft wird das nur als Ausrede „genutzt“? Ich gebe zu: Diese Rahmenbedingungen heute sind mehr als schlecht. Aber so schlecht auch wieder nicht. Denn es regnet nicht. Ansonsten komm wir bergauf bei Gegensturm nur im Schneckentempo voran.

Übrigens: Bei Kaiserwetter kann jeder laufen. Und Gefahren lauern bei tollem Wetter draussen määhr als bei extremen Sturm. Denn eines steht fest: Heute sind weder überforderte Hundebesitzer, potenzielle Vergewaltiger und andere Kleinkriminelle bei diesem Wetter draußen! Also auch für Frauen durchaus ein Geheimtipp. Aber Vorsicht: Wenn du nicht mindestens 80 Kilogramm wiegst, hast du ein Problem. Dann hängst du wahrscheinlich oben im Baumwipfel…

Wenn zwei Unternehmer laufen, dann ist das nicht nur Training, sondern auch intensiver Erfahrungsaustausch. Dirk hat heute deutlich die bessere Luft, deswegen komme ich nicht so zum Reden. Und das ist auch gut so. Kann ich endlich mal zuhören. Er erklärt mir „seine“ Landschaft, die aus Rhön, Spessart und Vogelsberg besteht und trotzdem zu keinem dieser Mittelgebirge gehört. Und er erzählt mir vom Problem des Bürgermeisters, seine Heimatstadt Schlüchtern zu vermarkten. Als ich nach gefühlten 800 Höhenmetern oben auf dem Bergvorsprung stehe und die Landschaft überblicke, verstehe ich, was Dirk meint. Bürgermeister und Touristiker denken oft noch in Katalogen. Zu welcher Region gehöre ich? Ich kann ja nicht in 3 Katalogen Anzeigen schalten. Wie lange soll eigentlich diese Kategorien-Katalog-Denke noch anhalten?

Zum Glück laufen wir jetzt wieder bergab. Allerdings wieder bei Gegensturm. Unterhaltung ist jetzt kaum mehr möglich, so laut tobt Xynthia. An einem kleinen Waldstück schwanken Fichtenbestände bedenklich. Schnell vorbei, bevor die Bäume uns begraben. Wenn du bei solch einem Wetter draußen bist, weißt du was Natur bedeutet. Sie ist schön. Aber auch unberechenbar. Du musst auf sie aufpassen – im wahrsten Sinne des Wortes. Und da Dirk und ich zwei Menschen sind, die im doppelten Sinne auf die Natur aufpassen, kommen wir auch nach über einer Stunde wieder in Schlüchtern an. Mehr war bei mir heute nicht drin. Reicht aber auch. Wir besprechen noch unseren gemeinsamen Rhönlamm-Kochkurs am 8. März und die Rhönschaf-Tour am 13. März. Für letzteren Termin sind übrigens noch 4 Plätze frei. Und das Wetter wird bei dieser „schafen“ Wanderung zu unserem Schäfer auf jeden Fall besser sein.

Als ich auf dem Rückweg nach Seiferts meinen Sohn Max noch bei meiner Schwester abhole, fragt mich mein Schwager Guido, ob ich noch „ganz dicht“ sei und nicht Radio hören würde. „Das sei doch ein Chaos da draußen – und ich gehe einfach so laufen! Da sind schon Leute umgekommen!!!“ Ich will ja nichts verharmlosen und unser SturmLauf ist sicher nicht zur Nachahmung empfohlen.
Ein außergewönliches Erlebnis war es trotzdem. Erkenntnis des Tages: Wenn du Gegenwind hast, wachsen mutigen Menschen Flügel. Ängstliche werden einfach weggepustet…

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