Nominiert – und jetzt? Gedanken über den Sinn und Unsinn von Auszeichnungen, Preisen & Co.

Verfasst am 08.05.2017 von

Karfreitag, 14. April 2017, 23.59 Uhr. In 60 Sekunden läuft die Frist ab. Von der vielleicht meine zukünftige Karriere abhängt. Aber nur vielleicht. Und ich lasse sie einfach so verstreichen. Ein Fehler? Vielleicht. Absicht? Ja.

Ich, oder besser mein Betrieb „krenzers rhön“ wurde nämlich nominiert. Für den Großen Preis des Mittelstands. Ich kenne diesen Preis der Oskar-Patzelt-Stiftung sehr gut. Es ist der „Oskar“ des Mittelstands. Ohne Frage. Und ich fühle mich selbstverständlich über die Nominierung geehrt. Geehrt für regionales Engagement, pfiffiges Marketing und Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region. Ohne Frage. Aber…


Jetzt geht die Arbeit erst los. Umfangreiche Fragebögen müssen nach der Nominierung im Februar ausgefüllt werden. Oh weia! Dabei sind wir gerade wieder mal am bauen. Bilanzen der letzten Jahre müssen wieder hervorgeholt (ist wie das Kramen in alten Geschichtsbüchern) und Beweise für unsere (frühere) Rentabilität und Effizienz erbracht werden. Das kostet Zeit im Büro. Und da ich meine Lebenszeit nicht so gerne am Schreibtisch verbringe (was ja in Deutschland mittlerweile gefühlt 60 Prozent der Menschen tun und damit auch nicht wirklich glücklich sind) lasse ich es auch sein. Reines Bauchgefühl. Denn wenn du schon Bauch hast, dann kannste dich ja mal drauf verlassen.


Aber generell mache ich mir Gedanken um diese „Preistreiberei“ für Unternehmer. In meiner Gastro- und Hotel-Branche kannst du dir sogar solche Preise kaufen. Zack, mal 1.000 Euro (plus Umsatzsteuer) auf den Tisch und du bekommst garantiert einen Preis von irgendeinem selbst ernannten Gastro-Institut. Natürlich mit riesengroßer, dekorativer Urkunde. In vielen Läden hängen ganze Wände damit voll. Die Wirtschaft ist aber leer. Marketing kostet eben Geld. Nichts anderes ist das. Und hilft eben auch nicht immer. Wo bleibt da die Nachhaltigkeit?


Da fallen mir gerade diese Werbeplakate a‘ la Musikantenstadl & Co. ein. Da steht dann bei irgendeiner Dorfveranstaltung einer bunten Kapelle unter dem Foto dieser: „Bekannt aus Funk und Fernsehen!“ Tja, wenn die bekannt aus Funk & Fernsehen wären, dann müsste es ja nicht dabei stehen, oder? Und genau so ist das auch mit diesen Preisen. Ein Top-Ausbildungsbetrieb ist ein Top-Ausbildungsbetrieb weil er eben ein Top-Ausbildungsbetrieb ist. Und nicht weil er anlässlich eines Wettbewerbs die Unterlagen so „veredelt“ hat, das er dafür einen Preis bekommen muss. Ich hoffe, sie, liebe Leser sind noch bei mir und verstehen, worauf ich hinaus will.


Also mal ehrlich: Mir geht es um die Zukunft und nicht um die Vergangenheit. Ich habe einfach keine Zeit, in meinen unternehmerischen Geschichtsbüchern zu schmökern. Nur damit eine wie auch immer besetzte Jury weiß, wie meine Vergangenheit aussah. Die Vergangenheit interessiert mich nicht mehr. Basta! Ich lebe in der Gegenwart. Und die dauert gefühlt 3 Sekunden. Auch blöd. Also lebt es sich am besten in der Zukunft. Wie heißt doch noch dieser wundervolle philosophische Satz: „Wir leben von Dingen der Vergangenheit, die wir erdacht und erfunden haben, als die Gegenwart noch Zukunft war.“ Genau das ist es.

Ja, und um diese Zukunft kümmere ich mich gerade wieder. Wie sieht die Gastronomie, Hotellerie und die Spezialitäten-Produktion im Jahr 2022 aus? Eines steht fest: Kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Das war schon früher so. Aber das Tempo beschleunigt sich gerade massiv. Ein paar Stichworte gefällig? Mitarbeiter. Technik. Digitalisierung. Ich halte es eben gerade für wichtiger, mich um meine Küche der Zukunft zu kümmern als irgendwelche Bögen auszufüllen. Ach ja – und meine Mitarbeiter erst. Die sind das Allerwichtigste. Und mit denen habe ich noch viel vor. Also kümmere ich mich.


Wenn man bei solch einem Preis dann die Juryauswahl übersteht, dann darf man an einem Gala-Abend teilnehmen. Gala-Abende sind ja so was von 2012, würde meine Azubine Marlene sagen. Dann muss ich mir wieder so ein Pinguin-Kostüm namens Gala-Anzug kaufen. Weil ich in das komische Teil, was ich mir extra für die Verleihung des Hotelier des Jahres 2012 gekauft hatte, schon wieder nicht mehr reinpasse. Man wächst eben mit seinen Aufgaben 🙂 Nein, ich war nicht nominiert zum Hotelier des Jahres. Hatte aber Karten bekommen. Die bekommen nur knapp 1.000 Leute in der Republik. Das ist schon eine elitäre Gala-Veranstaltung mit hübschen Kleidchen, Einstecktüchern, Krabbencocktail und Co. . Da kann man sich ja auch mal einen Anzug für 1.000 Euro kaufen, oder? Außerdem gab es damals in dem Fuldaer Modehaus meines Vertrauens noch einen Weihnachtsbaum gratis dazu. Krass, oder? Und übrigens: Mitarbeiter sind zu diesen Gala-Abenden nicht mit eingeladen. Dabei wäre das genau mal sooo wichtig.


Was bringen solche Preise? Sicher für Newcomer eine Menge Publicity. Gut so. Die brauchen das. Und sie schüren Erwartungen. Beim Kunden. Bei zukünftigen Mitarbeitern. Und nicht jedes preisgekrönte Haus kann sie erfüllen.

Da habe nicht nur ich schon viele Erfahrungen gesammelt. Es gibt ja nun auch wirklich für (fast) alles eine Auszeichnung. Meistens nutzen sie dem der sie vergibt mehr als dem, der sie erhält. Darüber nachzudenken lohnt sich.


Warum ist das so? Weil mehr Zeit für das Ausfüllen von Fragebögen vergeudet wird als sich um die Menschen im Betrieb zu kümmern. Und die sind für mich wichtiger als jede Jury. Ich stehe gerade in meiner Branche vor riesengroßen Herausforderungen. Die kann ich aber nicht durch eine Preisverleihung, einem Gala-Abend oder dann einem Aufkleber an der Tür meistern. Ich brauche einen freien Kopf für die Zukunft. Mein Blick ist nach vorne gerichtet. Deshalb bin ich Unternehmer geworden. Und nicht Historiker.

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