„Herr Krenzer – Ihr Personal ist gerade dabei, Ihren Ruf zu ruinieren“

Verfasst am 09.08.2016 von

Am ersten Tag seines Urlaubs bekommt Jürgen Krenzer eine SMS: Seine Mannschaft sei im Begriff, sein Unternehmen gegen die Wand zu fahren. Im impulse-Blog erzählt der Hotelier, was passiert war – und wie er auf die Nachricht reagiert hat.

SMS auf mein Smartphone: „…Sie sollten Ihren Urlaub nicht zu lange ausdehnen, Herr Krenzer – Ihr ‚Servicepersonal‘ plus Küche sind gerade dabei, Ihr Unternehmen und Ihren Ruf zu ruinieren!!!!!  Anne-Monika H.“

Unternehmer und Urlaub. Außer dem Anfangsbuchstaben gibt’s da oft nicht viele Gemeinsamkeiten. Und doch! Ich habe es im Laufe des letzten Jahrzehnts geschafft, mich mehr als sechs (6!) Wochen aus dem eigenen Laden auszuklinken. Gemeinsam mit meiner Frau. Und unsere drei Kinder freuen sich das ganze Jahr schon auf unsere Sommer-Familien-Auszeit. Seit 2010 ist das nun ein festes Ritual. Was mir beim Schreiben gerade einfällt: Von 2010 bis heute haben wir unsere Umsätze verdoppelt. Aber natürlich hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Wirklich nicht? Ich glaube ja überhaupt nicht an Zufälle …

Natürlich sind wir auch innerhalb dieser sechs Wochen mal zu Hause im Betrieb. Aber eigentlich sind wir da nur körperlich präsent, helfen am Samstagabend oder Sonntag im Stressgeschäft mit. Geistig haben wir abgeschaltet. Das ist ganz wichtig. Aber auch nicht immer leicht. Vor allem dann, wenn du zum Urlaubsauftakt die oben zitierte SMS bekommst.

Aber der Reihe nach:

 

Warum lasse ich mir den Urlaubsauftakt so versauen?

Sonntag, 17. Juli 2016, 21.15 Uhr. Ich befinde mich gerade mit meiner Familie seit acht Stunden in unserem Jahresurlaub. Davon gefühlt die Hälfte im Stau. Als ich nach dem Abendessen mein Handy aus der Jacke hole, sehe ich diese SMS. Natürlich liest man die – und ärgert sich einen Moment später: Warum lasse ich mir eigentlich den Urlaubsauftakt so versauen? Muss ich jetzt eigentlich noch auf mein Handy glotzen? Gut, dass ich schon drei gute, hausgebraute Entspannungsbiere getrunken habe. Ein viertes Kaltgetränk wird jetzt dringend benötigt und sofort geordert.

Tausendundein Gedanken gehen mir jetzt durch den Kopf. Ich rufe an der Homebase in krenzers rhön an. Bekomme einen sehr sachlichen Lagebericht. Meine Mitarbeiterin wirkt etwas bedrückt. Es ist sehr viel los gewesen an diesem ersten richtig schönen Sommertag, der auch der erste hessische Feriensonntag ist. Gartenwirtschaft, Wirtsstube, unser R.A.S.T.-Platz und auch der Laden sind super gut besucht. Reserviert war so gut wie nix – fast alles Spontangäste. Wie so oft.

 

„Ich werde mich bei Ihrem Chef melden!“

Jeder tut hier, was er kann. Und mehr. Für eine Dame, die an diesem Nachmittag mit zwei Herren unser Haus aufsucht, reicht das allerdings nicht. Sie ist extrem unzufrieden und fragt an der Rezeption nach dem Chef. Dass der gerade in den Urlaub gefahren ist, passt dieser Dame, die sich in unserem Haus alles andere als damenhaft benimmt, überhaupt nicht. Mein Team hat keine Chance, sie zu beruhigen. „Ich werde mich bei Ihrem Chef melden!“ – so oder so ähnlich echauffiert sie sich. Tja, und gemeldet hat sie sich – meine private Handynummer steht auf meinen Visitenkarten. Wenn auch auf sehr merk-würdige Art. Also würdig, es sich zu merken.

Wie würden Sie in meiner Situation reagieren? Wäre echt mal spannend, das zu erfahren. Auf jeden Fall fällt mir die Zurückhaltung schwer. Ich hätte schon ein paar Ideen, die ich – auch per SMS – zurückfeuern könnte. Ich tue es nicht. Besser so. Nicht mein Niveau. Dafür rufe ich am nächsten Tag meine Servicechefin Andrea an. Die hat aber erst mal gar keine Zeit, mit mir zu telefonieren. Die Gäste gehen vor. Und davon sind selbst am Montagmittag jede Menge da. Na, dann gehen wir ja doch nicht pleite, denke ich.

 

Erwachsenen-Kindergarten in unserem Biergarten

Am Nachmittag bekomme ich dann endlich einen Rückruf. Und nochmals Details zum gestrigen Tag mitgeteilt. Der Dame ging es einfach nicht schnell genug. Klar, an solch einem Tag ist der Getränke- und Speisenservice nicht so fix wie sonst. Und im Außenbereich dauert es aufgrund der langen Wege noch mal länger. Außerdem (das kommt an solchen Tagen immer mit dazu, es gibt ja keine Zufälle) lief das Bier mit zu viel Kohlensäure aus dem Zapfhahn. Das verlängerte die Zeit von der Bestellung bis zum Service noch einmal. Der Tisch in unserer Gartenwirtschaft war zudem noch von den Vorbenutzern (die kurz zuvor gegangen waren) verschmutzt. Und die Ansprache der Servicemitarbeiterin war wohl auch nicht klassisch, sondern lässig. So ist das bei uns. Gefällt eben auch nicht jedem.

Außerdem erfahre ich, dass diese Dame wohl öfter zu uns kommt und dabei ziemlich oft „auf Krawall gebürstet“ ist (O-Ton meiner Service-Chefin). Ich bin beruhigt. Ist also nichts passiert – außer ein bisschen Erwachsenen-Kindergarten an einem wunderschönen Sonntagnachmittag in unserem Garten. Was soll’s! Ich lasse das alles erst einmal ruhen. Und meine Leute in Ruhe.

 

Du kannst es nicht jedem Recht machen

Ein paar Tage später bekommen wir von anderen Gästen folgende Nachricht:

„Frauen sind halt heimliche Helden! Nur wer den Normalfall kennt, konnte wahrnehmen, was hier abging: Wir kommen ziemlich erledigt direkt vom Standdienst am Biosphärenmarkt in Krenzers Rhön an. Unser Plan: schnell die Sachen ausladen und einlagern, die zu Krenzer gehören. Dann lassen wir uns verwöhnen.                

Es war der erste richtige Sommersonntag und Ferienbeginn in Hessen. Ein regelrechter Ansturm auf die Rhön im Allgemeinen, den Biosphärenmarkt und Krenzers Rhön im Speziellen. Gaststube und Gastgarten sind voll – die Rezeption leer.

Das hat seinen Grund: Melanie räumt zusammen mit Andrea – eigentlich hätten die beiden jetzt schon Dienstende – Tische ab. Trotz dieser Zusatzaufgabe managen die beiden auch noch unseren unangemeldeten Besuch. Nach getaner Arbeit finden wir noch einen Platz im Gastgarten und lassen uns verwöhnen. Es flutscht! Jetzt sind die beiden im Service aktiv, damit die Gäste zügig bedient werden. Als wir schon satt und merklich erholt die Rechnung bezahlen, neigt sich zumindest für Melanie der Arbeitstag dem Ende zu. Andrea muss noch den Bürokram in Angriff nehmen. Und für das Stammteam in Küche und Service geht es sowieso noch weiter.

Wir sagen Danke, dass Ihr Helden der Gastronomie uns verwöhnt habt!            

Astrid und Michael“

So ist das im Unternehmerleben. Du kannst es nicht jedem Recht machen. Der eine ist enttäuscht – der andere begeistert. Apropos Enttäuschung: Eine Enttäuschung ist doch nur das Ende einer Täuschung. Davon bin ich überzeugt. Also hat sich unser weiblicher Gast einfach nur in uns getäuscht. Oder wir in ihr. Zeit, sich zu trennen. Ich schreibe ihr in meinem „Blök“ (dem ChefBlog auf www.rhoenerlebnis.de).

 

Mein Abschiedsbrief:

„So, liebe Frau H., nun zu uns beiden: 

Ich habe keine Ahnung, was Sie angetrieben hat, mir eine solche SMS zu schicken. Ich glaube nicht, dass Küche und/oder Service das Problem an diesem wunderschönen Sonntag waren. Sonst hätten Sie das mir gegenüber ja geäußert. Stattdessen schreiben Sie in Ihrer SMS gleich vom Ruin eines 123 Jahre alten Unternehmens. Vielleicht hatten Sie ein ganz spezielles Problem. Eines, das nichts, aber auch ganz und gar nichts mit uns zu tun hatte? Nach einer Woche können Sie ja mal sachlich darüber reflektieren. 

Ich persönlich finde es suboptimal, wie Sie sich in unserer Welt benommen haben. Und wie Sie sich mir gegenüber benommen haben. Wissen Sie eigentlich, dass meine Mitarbeiter nach Ihren Verbalattacken erst einmal „down“ waren? Dass letztlich andere Gäste darunter zu leiden hatten? Mitarbeiter in der Gastronomie – auch in krenzers rhön – sind auch Menschen. Und keine Maschinen. Können nicht sofort wieder umschalten. Haben Emotionen. Wunderbare Menschen. Dienstleister mit Herzblut. Für die ihr Beruf Berufung ist. Freude am Umgang mit Menschen. Wissen Sie eigentlich, dass die meisten Menschen in Deutschland lieber eine Maschine oder einen Computer bedienen, als anderen Menschen zu dienen? Wissen Sie eigentlich, dass es viel schwieriger ist, tolle Dienstleister zu finden, als neue Gäste zu akquirieren? 

Ja, Sie wissen das. Haben es bei Ihrem „Blackout“ in unserer Gartenwirtschaft nur vergessen. Kann passieren. Wer weiß, was Sie für Probleme hatten. Hoffentlich sind die nicht von Dauer.

Und warum einer Ihrer Begleiter meiner Servicemitarbeiterin noch ein Trinkgeld gibt, ist sowohl mir als auch meiner Mitarbeiterin bis jetzt schleierhaft. Lassen Sie Ihren Frust bitte an den Menschen aus, die dafür gut bezahlt werden. Psychologen, Mentaltrainer oder Lebensberater etc. Aber lassen Sie meine Leute in Ruhe! Ich wünsche Ihnen noch ein glückliches und zufriedenes Leben!

Ihr Ex-Gastgeber Jürgen H. Krenzer“

 

Trennung tut gut

Fazit: Wir brauchen mehr Mut. Mut, um uns von manchen Gästen oder Kunden zu trennen. Ich habe das getan. Abschied von emotionalen Tretminen und Gefühlsterroristen. Die ziehen dich und deine Leute nur runter. Weg damit. Tut weh. Sehr weh. Hilft aber. Und zwar sofort.

Und wir brauchen Mut zum Entspannen. Abschalten. Urlaub machen. Sich Auszeiten gönnen. Egal was passiert. Und was soll schon passieren? Es gibt noch etwas Wichtigeres als unser Unternehmen. Nämlich uns. Und unsere Familie!

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