Die schottische Rhön

Verfasst am 09.01.2015 von

…so heisst das neue Programm, das ab 18. Januar im R.A.S.T. (Rhöner ApfelSherry Theater) läuft. Denn im Sommer 2013 waren wir mit der Kamera in Schottland – auf der Suche nach den berühmten Whiskyfässern. Und fühlten uns wie in der Rhön. Und kamen nicht umhin, ein tolles Roadmovie zu drehen. Denn ApfelSherry ohne die schottischen Single Malt-Whiskyfässer ist heute undenkbar.  Doch wie kam eigentlich der Rhöner Sherry in die schottischen Fässer? Eine Spurensuche:

 

Bereits als Teenager bin ich im heimischen Apfelweinkeller aktiv. Dabei interessiert mich früher aber mehr der Prozess der alkoholischen Gärung als das Ergebnis daraus. Das ist jetzt allerdings ein wenig anders. Und durch einen Zufall, beziehungsweise eine Zufallsbegegnung mit einem älteren englischen Herrn, entsteht dann die Idee ApfelSherry zu erzeugen. Doch das ist eine andere Geschichte.

Als wir im Jahre 2003 das historische Gewölbe der altehrwürdigen Krone restaurieren (es ist genau zur richtigen Zeit, denn wir schreiben den Jahrhundert-Sommer) beginnt der eigentliche Boom des ApfelSherrys. Endlich ist ein Raum geschaffen – im wahrsten Sinne des Wortes – für dieses Rhöner Edelprodukt. Und natürlich – damals schwer im Trend– darf auch der Ausbau in einem Barriquefaß nicht fehlen. So werden kurzerhand über kurze Wege zwei Barriquefässer aus Spessarteiche angeschafft und dekorativ platziert. Aber die Fässer sind nicht nur dekorativ, sondern das Produkt daraus „saulecker“. Es ist nun mal die Barrique-Boom-Zeit (BBZ).  Also brauche ich ständig neue Fässer. Nagelneue Fässer aus Spessarteiche gehen natürlich ganz schön ins Geld – was damals nicht da ist. Weil ApfelSherry-Produktion anno 2003 eigentlich mehr ein Hobby ist. Und so passiert es. Ich erfahre von einem „Faß-Dealer“ in der Nähe von Offenbach am Main, der gebrauchte Barriquefässer zu etwas günstigeren Preisen als Neue verkauft. Genial! Übrigens: diese Zeiten sind heute auch vorbei. Der jetzige Boom auf dem Holzfaßmarkt (vor allen Dingen durch die Edelbrenner und  Craft-Bier-Produzenten hervorgerufen), sorgt für Spitzenpreise für gebrauchte Fässer. Das heißt: Ein gebrauchtes Faß kostet heute oftmals mehr als ein Niegelnagelneues. Manchmal auch ein Vielfaches mehr. Aber zurück in das Jahrhundert-Sommer-Jahr 2003. Die Welt der Fässer ist noch in Ordnung. Ich rufe also den Faßdealer K. aus O. an und er reserviere mir telefonisch sechs gebrauchte Barriquefässer. Mit meinem alten Apfelbus und genug Bargeld in der Tasche (sowas geht nur in bar!) fahre ich dann nach Offenbach. Als ich auf dem Hof aufschlage und mir der Faßdealer K. entgegen kommt, fasste ich es nicht: Er hat die Fässer nicht mehr! Hat sie einfach einem anderen verkauft. Der kurz vor mir da war. O-Ton von K.: „Der hat einfach noch ein paar Scheine mehr draufgelegt!“ Für einen echten Rhöner ist solch ein Geschäftsgebaren von Großstadtmenschen (auf rhönesisch: „Stodtschisser“) nicht nachvollziehbar. Ich laufe rot an und brüllte K. aus O. an, was ihm denn einfällt: „Geschäfte per Handschlag und am Telefon sind in der Rhön auch Geschäfte. Ich verlasse nicht diesen Hof, bevor ich sechs Fässer eingeladen habe.“ Es wird laut in der alten Lagerhalle in Offenbach. Die Arbeiter am anderen Ende der Halle, die verschiedene Holzfässer mit ihren Hämmern bearbeiten, unterbrechen plötzlich ihre Arbeit. Und lauschen unserer immer lauter werdenden Diskussion. Die Situation droht zu eskalieren. Mein Mitarbeiter muss mich nun zurückhalten, obwohl er meine Wut gut verstehen kann. Irgendwann lenkt K. aus O. ein und sagt: „Hier vorne stehen noch sechs gebrauchte Whiskyfässer. Nimm‘ sie mit und mach‘ dich vom Acker. Und dann Schluss mit Diskussion!.“ Jetzt rastete ich aus: „Schnapsfässer? Wirklich Schnapsfässer soll ich für meinen ApfelSherry nehmen? Seit wann füllt man Wein in Schnapsfässer?“ (Denn Apfel-Sherry ist für mich ja ein edler Wein. Wie die Winzer eben auch ihre edlen Weine in Barriquefässern nochmals verfeinern.) Die Stimmung in der Halle ist auf dem Siedepunkt. Nein. Eigentlich schon darüber. Mein Mitarbeiter ist der  einzig Ruhige in der Runde. Er schlägt vor, die Fässer fix einzuladen und zu verschwinden. Er sagt: „Jürgen, coolplay! Die alten Dinger können wir doch noch für Deko und für Stehtische verwenden. Und außerdem kann ich solch ein Whiskyfaß auch mit der Motorsäge zerteilen und ich mach‘ daraus Blumenkübel. Da freut sich deine Mutter!“ Gesagt, getan, wir laden ein und verschwinden wieder in Richtung in Rhön. Und ich schwöre mir, niemals mehr ein Geschäft zu machen mit Menschen aus einer Großstadt. Erst recht, wenn diese Stadt auch noch Offenbach heißt. Zuhause angekommen, laden wir aus. Ich gehe ins Büro. Und mein Mitarbeiter macht sich über die Fässer her. Irgendwann kann ich auch im Büro nicht mehr arbeiten, weil Dorin mit der Motorsäge in der Garage gerade ein Fass zerteilt. Gerade will ich mich bei ihm beschweren, da steht er schon in der Tür. „Chef, komm’ mal mit. Du musst unbedingt mal in das Fass reinriechen. Das ist ja sensationell!“ Ich schaue ihn an: „Wirklich?“ Er lässt nicht locker: „Komm mit! Komm jetzt sofort mit! Ich habe da auch noch eine Idee.“ Und so gehen wir beide hinab in den Keller, wo er ein Faß zersägt hat und noch ein Rinnsal von Whisky zu sehen ist. Und es riecht wirklich gut. Von jetzt an weiss ich, dass es keine „Schnapsfässer“ sind, sondern Fässer mit richtig gutem Inhalt. Whisky genannt. Jetzt schaue ich mir die Fässer genau an und überlege. Dorin meint: „Jürgen, wie wäre es denn, wenn wir mal den Versuch wagen und …“ „Nein …“, rufe ich: „… niemals! Niemals wird in diesen Fässern mein ApfelSherry landen.“ Dorin lässt nicht locker: „Lass‘ es uns doch mal mit einem Faß versuchen. Wir haben da einen wunderbaren mit Boskoop, Boikenapfel und Jakob Lebel. Was meinst du?“ Ich bleibe bei meinem Nein. Auch am nächsten Tag lässt Dorin nicht locker und er bereitet eigentlich schon ohne mein „Go!“ das Abfüllen in die verbliebenen fünf Fässer vor. Nachdem so viel Vorarbeit schon geleistet sind, willige ich schließlich unter Protest ein. Protestieren tut auch meine Mutter. Als sie erfährt, dass die Fässer jetzt in ihrer geliebten Waschküche (siehe Bild) zwischengelagert werden sollen. Weil dort eben das ideale feucht-warme Klima herrscht, das diese Fässer unbedingt brauchen. Das finden  jedenfalls Dorin und ich. Mit zwei wunderschönen und originellen Blumenkübeln bestechen wir erfolgreich unsere Maria. So vergehen die Jahre – es sind deren drei. Dorin meint dann irgendwann doch mal schauen zu müssen, was aus den Fässern geworden ist. Ich schaue ihn verwundert an und frage: „Sag‘ mal, hast du das nicht irgendwann mal probiert?“ „Nein“, sagt er: „Ich hab‘ die doch glatt vergessen.“ Tja, in der Waschküche sind sie halt auch außerhalb unseres Arbeits- und Einflussbereichs. Nur Maria meldet sich ab und zu zu Wort, denn da lief manchmal so ein schwarzes Rinnsal von den Fässern in den Gully. Und weder das Rinnsal noch der Geruch schien ihr zu gefallen. Mit Pipette, Schlauch und Krug sowie einem Glas zieht Dorin nun in die Waschküche. Es dauert lang, bis er wieder ins Büro zurück kommt. Sehr lange sogar! Dann steht er vor mir. Seine Augen glänzen. Das Sprechen fällt ihm schwer. Aber auch nonverbal ist seine Begeisterung übertragbar. Ich gehe hinunter und probiere auch. Wir haben niemals geglaubt, was aus einem Rhöner Apfel in einem schottischen Whiskyfass werden kann. Die erste Abfüllung nennen wir dann „Whiskyfass 1.0“ und die Menschen reissen uns diese im Jahr 2007 aus den Händen. Und auf der ersten internationalen Apfelweinmesse, der SICER im nordspanischen Gijon, landet genau dieser ApfelSherry nicht nur unter den Top 10 der Apfelweine weltweit, sondern wird auch zum originellsten Produkt der ganzen Messetage gewählt. Wie sagt damals der legendäre Kanadische Juror Jean-Francois Demers: „Ladies and Gentlemen: This is the best scottish Whisky with less alcohol that I ever had in my live.” So begann der Siegeszug des ApfelSherrys über den Umweg Spanien. (oder doch hier eher „Schottland?) Und über den Umweg vieler Weinzeitschriften gelang ApfelSherry dann auch in die hiesige Regionalpresse. So ist es manchmal. Danke an dieser Stelle noch einmal an K. aus O., dass er die Barriquefässer verscherbelt und mir die Whiskyfässer überlassen hat. Es gibt eben im Leben keine Zufälle, oder …?

Hinterlassen Sie ein Kommentar:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.