Anders als geplant…
Ich hatte gar nicht vor, schon wieder einen neuen Blök zu schreiben. Denn eigentlich wollte ich nur einen schönen Abend mit meiner Liebsten verbringen. Doch dazu kam es nicht. Es war ein Abend mit Peter Gabriel. Ganz spontan. Aber wunderbar. Und ich habe dabei viel gelernt…
Rosenmontag, 15. Februar 2010, 19.50 Uhr. Nach einem entspannten Nachmittag mit unseren 3 Mäxen auf dem Kreuzberg nehme ich mir vor, den Abend gemeinsam mit meiner Frau Sylvi gemütlich enden zu lassen. Verdient hätten wir es uns nach dem gelungenen Valentinstag-Event gestern jedenfalls. Die Kinder baden noch und ich mache es mir in unserer klitzekleinen Wohnküche gemütlich. Und da passiert es: Es ist so ruhig. Zu ruhig. Ich könnte ja mal Musik machen. Gute Idee. Doch was? Colbie Caillat? Alicia Keys? Beide ganz wunderbar. Ich gehe zum CD-Player, der auch noch einen Plattenspieler (!) hat. Meine 5jährige Maxima fragte mich erst kürzlich, wie wir das gemacht haben. Früher. Joggen mit Plattenspieler. Und so. Und überhaupt…
Also – ich denke ganz spontan an Peter Gabriel und sein Album „So“ aus dem Jahr 1986. Ich denke, den Hit „Sledgehammer“ kennen die meisten. Genau diese Platte lege ich jetzt auf. Doch dann passiert es: Statt auf „Phone“ zu drücken steuern meine Finger versehentlich oder „Tuner“ an. Und im Radio läuft auf HR1 (neben HR3 mein Lieblings-Radiosender) gerade ein Live-Konzert von Peter Gabriel aus dem November 1993 in Modena/Italien. Ich bin fasziniert. Bei Salisbury Hill und Red Rain drehe ich die Anlage erst einmal richtig auf. Ist Biko schon gelaufen? Das ultimative Lieblingslied meiner Frau über den südafrikanischen Freiheitskämpfer. Doch Sylvi ist nicht da. Wahrscheinlich vor der Glotze eingeschlafen. Scheiß Fernsehen. Braucht kein Mensch! Außer bei Handball- und Fußball-Weltmeisterschaften. Ich gebe es ja zu! So sitze ich jetzt hier alleine und genieße das tolle Radioprogramm mit Moderator Uwe Fritsche, der auch einige Einzelheiten über Peter Gabriels Leben verrät. Und dieser Typ ist genau mein Thema des heutigen „Blök“.
Jetzt, um 21.11 läuft gerade „Don’t give up“ – ein Song, den er mit der ebenso legendären Kate Bush (was für eine Stimme!) aufgenommen hat. Und dieses Lied war schon vor über 20 Jahren für mich Programm. Gänsehaut pur! Gerade im Jahr 1989, eines der härtesten meines Lebens – hat mich „Don’t give up“ immer wieder aufgebaut. Und erst recht die fantastischen Stimmen von Peter und Kate. Thank you!
Doch zurück zu Peter Gabriel: Seit meinem 12 Lebensjahr bin ich Genesis-Fan. Doch da hatte Peter sich schon längst von dieser Band verabschiedet. Und genau in diesem Jahr auch noch Gitarrist Steve Hacket. Verziehen habe dies den beiden jahrzehntelang nicht. Aber im Falle des Peter Gabriel kann ich das jetzt verstehen. Der wollte kein Mainstream. Der wollte aber auch nicht länger in Rosenmontagskostümen über die Bühne hüpfen. Was wollte dieser Typ überhaupt? Ich hatte es nie verstanden. Jetzt weiß ich es: Der wollte einfach sich selbst sein. Und er wollte auch keine Marke (und keine Maske määhr) sein. Wollte nicht immer das Gleiche tun. Wollte nie der bestbezahlteste Musiker der Branche sein. Das Talent dazu hätte er definitiv gehabt. Nein. Das war nicht sein Ziel! Kein Album von ihm klingt nach dem vorherigen. Für die Markenbildung sicherlich unbrauchbar! Und ein Krampf für jeden Musikmanager. Und genau deshalb gehört diesem Ausnahme-Musiker jede Menge Respekt gezollt. Schon 1993 sagte er uns den jetzt realen Daten-Ozean voraus – jetzt heißt das wohl Web 2.0. Er gründete eine eigene Plattenfirma. Erfand die Idee der Weltmusik. Durchgeknallt! Genial. Oder wie ein ganz lieber Freund von mir zu sagen pflegt: „Zwischen Genialität und Wahnsinn ist nur ein ganz schmaler Grad!“ Aber so einfach ist es nicht. Jeder Mensch hat seine persönliche Geschichte. Auch Peter Gabriel. Nach der äusserst schwierigen Geburt seines Kindes fing er an umzudenken. Über den Sinn des Lebens nachzudenken. Was haben wir? Was brauchen wir wirklich? Was wollen wir überhaupt sein? Weil wir nicht wissen, was wir haben, fragen wir uns ständig was uns fehlt…
Jetzt, um exakt 21.37 Uhr läuft „Biko“. Der Song handelt von Steve Biko, einem südafrikanischem Freiheitskämpfer, der 1977 von der polizei brutal gefoltert und danach an seinen schweren Kopfverletzungen gestorben ist. Und ich glaube ganz fest, das dieser Song von Peter Gabriel ein starker Beitrag dazu war, das die Apartheidpolitik Südafrikas vor exakt 20 Jahren endlich ihr Ende nahm. Nicht nur Sylvis Lieblingssong, sondern mittlerweile auch meiner. Mir kommen jedes Mal noch die Tränen. Gerade bei dieser fantastischen Live-Version. Das sollte die offizielle Hymne für die Fußball-WM in Südafrika werden. Alles muss einen Sinn haben…